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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht
Autoren: Kristof Magnusson
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der Fall. Nur das Wort Henry erkannte ich immer wieder, einige Male schien er auch so was wie »fantastisch« zu sagen oder »gut«.
    MElKE
    Nach dem Erlebnis mit Jasper überraschte es mich kaum noch, dass schon wieder eine Person vor der Tür stand, von der ich nie erwartet hätte, sie hier zu sehen.
    »Warum hast du denn dein Handy nicht an?«, sagte Thorsten Fricke. »Ich hab gestern zehn Mal versucht, dich zu erreichen.«
    »Ich war unterwegs«, sagte ich, sah dann auf mein Handy und stellte fest, dass die Batterie schlapp gemacht haben musste, irgendwann in der Nacht, auf dem Weg nach Frankfurt-Hahn.
    Zu meinem Haus sagte Thorsten nichts. Entweder nahm er es nicht wahr, oder es schien ihm vollkommen normal, dass Übersetzer so wohnten. Abgesehen davon wusste ich natürlich, dass er nicht gekommen war, um sich anzusehen, wie ich hier lebte. Wenn er den ganzen Weg von Hamburg hierher fuhr, musste es etwas Wichtigeres geben.
    Ich hatte gerade für Jasper und mich einen Kaffee gemacht und hastig das Schlafsofa hochgeklappt, nachdem es geklingelt hatte. Nun standen wir da und sagten nichts, was auch nicht nötig war, denn Thorsten Fricke hörte nicht auf zu reden.
    »Den Pulitzerpreis. Zum zweiten Mal! Damit ist Henry LaMarck wirklich unsterblich geworden, das ist so fantastisch, ich kann es kaum glauben, und das Krasse ist, er weiß noch nicht mal davon. Die in Amerika bei Parker suchen einfach nicht nach ihm, wollen Henry nicht zu nahe treten. Ich glaube, die lügen. Die können ihn einfach nicht finden! Deswegen wollte ich auf dein Angebot zurückkommen. Dass du nach Chicago fliegst und ihn suchst. Wir zahlen dir alles. So eine super Nachricht, das muss er doch wissen. So schnell wie möglich. Dann wird bestimmt auch mit dem neuen Roman alles gut. «
    Irgendwann merkte Thorsten Fricke, dass wir nicht mehr ihn ansahen, sondern über ihn hinweg zur Tür schauten. Er warf einen kurzen Blick über die Schulter, als sei da irgendein Nachbar hereingekommen oder der Postbote, dann verstummte er mitten im Satz. Er drehte sich um, rief etwas, das niemand verstand, rannte auf Henry zu, der so unbewegt dastand, als wäre er seine eigene Wachsfigur bei Madame Tussauds, und fasste ihn bei den Armen.
    »Ich bin Thorsten Fricke. Lektor bei Farnsdorff , ihrem deutschen Verlag.«
    »Na so was«, sagte Henry.
    »Sie haben ihn«, sagte Thorsten. »Den Pulitzerpreis!« »Oh«, sagte Henry. »Zum zweiten Mal.«
    »Ja«, sagte Thorsten. Zum zweiten Mal. Freuen Sie sich gar nicht?«
    »Doch«, sagte Henry. »Natürlich. Sehe ich nicht so aus?« »Ich weiß ja nicht, wie Sie normalerweise aussehen, wenn Sie sich freuen«, sagte Thorsten.
    »Ungefähr so«, sagte Henry. Dann lächelte er. Jasper und ich gingen gleichzeitig auf ihn zu. Er umarmte Jasper, dann auch mich, dann klingelte sein Telefon. Er sah auf die Anzeige und hob ab.
    »Guten Morgen. Ja, hier ist Morgen. Ich bin in Deutschland. Ach, verarmt war gestern ... Woher weißt du das denn jetzt schon? Ich habe es ja selbst gerade erfahren. Ja, das kam überraschend, das kannst du wohl sagen. Bist du in London? Okay. Wir telefonieren später, ja?«
    »Und jetzt feiern wir«, sagte Thorsten. »Aber bitte nicht hier«, sagte Henry.
    Also fuhren wir doch nach Hamburg. Ich quetschte mich ohne Widerrede mit Jasper hinten in Thorsten Frickes kleinen BMW, und schon auf der Landstraße waren wir schneller, als mein alter Renault es auf der Autobahn jemals geschafft hätte. Natürlich bestand die Gefahr, dass ich in Hamburg jemanden traf: Arthur, Gösta, Sabine, Regine oder Lars, doch früher oder später würde es ohnehin dazu kommen, und jetzt war ich wenigstens in guter Gesellschaft. In Begleitung eines Pulitzerpreisträgers mit blauem Auge, der immer wieder kichernd SMS beantwortete, eines Verlagslektors, der von wenig anderem als Champagner sprach, und eines Exbankers, der fast einmal vom FBI gejagt worden wäre und die ganze Fahrt über meine Hand hielt.
    Je mehr SMS Henry bekam, desto besser wurde seine Laune. »Das ist also mein Ehrenoscar«, sagte er schließlich.
    »Sie bekommen den Preis genau zur richtigen Zeit«, sagte Thorsten. »Das pusht das neue Buch. Und alle, die noch kommen, die wird in Deutschland jeder lesen, das verspreche ich Ihnen.«
    »Es wird keine neuen Bücher mehr geben.« »Was?«, sagte Thorsten.
    »Ich gehe in Rente. Das ist doch ein schöner Abschluss, so ein kleiner Pulitzerpreis.«
    »Rente? Machen Sie keine Witze. Sie werden noch so viele schöne Bücher
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