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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht
Autoren: Kristof Magnusson
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berichtete die Reporterin weiter. Jemand hatte mich sogar mit Robin Hood verglichen.
    »So ein Quatsch!«, sagte ich. Gut, ich hatte einer Bank eine Menge Geld abgenommen. Aber hatte ich es den Armen gegeben? Nein. Ich hatte es einfach verspielt. Und das tat mir sogar leid. Der Vorstandsvorsitzende von Rutherford & Gold hatte recht: Ich war einfach durchgedreht. Ich wollte kein Held sein - genauso wenig wie ein Sündenbock.
    »Du bist schon ein merkwürdiger Banker«, sagte Meike. »Und du eine merkwürdige Übersetzerin«, sagte ich. Meike lachte.
    Ein letztes Mal erschien die Einblendung ntv breaking news, dann begann eine Reisesendung. Wir waren allein. In ihrem Schlafzimmer, es wurde Nacht, und doch taten wir nichts außer fernsehen, wie ein altes Ehepaar. Nachdem wir schweigend erst einen Beitrag über Golfen in Andalusien geschaut hatten, und etwas über einen Kochkurs in Sri Lanka kam, legte ich meinen Kopf in ihren Schoß. Sie legte ihre Hand auf meinen Kopf; auf einem Markt in Colombo sah sich ein Reporter Krebse an, fuhr mit den Händen durch Schalen mit Pfefferkörnern und Chilischoten. Ich schloss die Augen.
    Als es klingelte, war ich sofort hellwach - noch bevor Meike aufstand, mich zwar überrascht, jedoch ohne Angst ansah und nach ihrem Telefon griff.
    »Sie?«, sagte Meike. »Was machen Sie in Deutschland? Ja, ich wohne sehr einsam, warum? Natürlich können Sie ... Ich hole Sie am Hamburger Hauptbahnhof ab. Aber natürlich gibt es da einen Bahnhof. Fernbahnhof. Sind Sie sicher? Ich hole ... Warten Sie einfach.« Dann sagte sie noch: »Sieben Stunden«, was der Jemand am anderen Ende laut zu wiederholen schien. Dann legte Meike auf.
    »Wir müssen zum Flughafen. Einen Freund von mir abholen.« »Was für einen Freund?«
    »Er ist zu Besuch gekommen. Spontan.« »Um diese Zeit? Es ist halb vier.«
    »Ja.«
    »Ich bleibe am besten hier.« »Warum?«
    »Die Polizei sucht mich.« »Bitte, komm mit.«
    »Aber wenn die mich in deinem Auto festnehmen, hängst du mit drin.«
    »Dann sage ich, ich hätte dich als Anhalter mitgenommen.« »An Flughäfen wimmelt es von Polizisten.«
    »Du musst ja nicht aussteigen«, sagte sie.
    »Kann dein >Freund< nicht mit dem Taxi kommen? Oder mit dem Bus?«
    »Nein, das kann er nicht. Und allein schaffe ich das nicht. Das sind zwei Mal sieben Stunden Fahrt.« »Zum Flughafen?«
    »In Frankfurt.«
    »Frankfurt ?«
    »Frankfurt-Hahn. «
    HENRY
    Scotty's American Hot Dogs stand an einer Bude vor der Eingangshalle, die geschlossen hatte, daneben gab es eine zweite, auf deren Spitze sich eine riesige Bretzel drehte. Die zweite Bude öffnete gerade, langsam wurde es hell. Dies war also Deutschland.
    Ich ging wieder hinein, überlegte einen Moment, ob ich einen Fernseher suchen sollte, ließ es aber bleiben. Ich wollte nichts mehr von Jasper sehen. Ich hatte ihn gewarnt. Das war vorbei, wie so vieles andere auch. Ich dachte an diejenigen meiner Kollegen, die in bitterer Armut gestorben waren, Oscar Wilde, Friedrich Hölderlin, Edgar Allen Poe. Vielleicht war es ja ganz in Ordnung, arm zu sein - so weiterzuleben wie bisher, das hätte ich nicht mehr lange ausgehalten. Und ganz so schlimm würde es ohnehin nicht kommen, meine Bücher verkauften sich ja weiter, und mein letzter Roman, Windeseile, erschien bald als Taschenbuch. Bis dahin musste Meike Urbanski mich aufnehmen.
    Im Mittelmeerraum gibt es einen Sturm, sagte jemand auf Englisch zu einem Ehepaar, alle Flugzeuge aus dem Süden seien seit Stunden überfällig. Langsam kamen die Leute, die die ersten Flüge des Tages nehmen wollten, Frauen, die mit schlafenden Säuglingen und quengelnden Kleinkindern in die Türkei oder nach Bulgarien wollten; rauchende Familienväter gingen vor dem Terminalgebäude auf und ab, und hielten einen gewissen Abstand zu den bügelfreien Rentnern, die immer noch nicht losgeflogen waren.
    Ich wechselte die sieben Dollar, die mir geblieben waren, in Euro und betrat das Player's Cafe, das 24 Stunden geöffnet hatte. Ich schmiss einen Euro in einen Automaten namens Casino Liner. Wenn der Spruch vom Pech in der Liebe und Glück im Spiel stimmte, war dies der Moment, es auszunutzen. Pflaumen, Kirschen, Dollarsymbole und Sterne blinkten auf, sausten herum, blieben schließlich eins nach dem anderen stehen. Auf einen Moment der Stille folgte die Torero-Musik aus Carmen, und acht Euro-Münzen schepperten aus dem Automaten.
    Sofort ging ich in den nächsten Imbiss. An der Theke versuchte ich, auf Englisch
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