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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht
Autoren: Kristof Magnusson
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stellte fest, dass das klein gehackte Brennholz, das ich zusammen mit dem Haus übernommen hatte, endgültig aufgebraucht war. Es gab noch jede Menge Holz, doch das lagerte in großen Scheiten hinter dem Haus, unter einer LKW-Plane, auf die der Regen pladderte.
    Natürlich gab es in meinem Haus auch eine richtige Heizung, eine ganz fortschrittliche sogar: eine mit Erdwärme aus eigenem Bohrloch betriebene Fußbodenheizung, die der Vorbesitzer selbst eingebaut hatte. Dann war er plötzlich ausgezogen und ließ neben der Heizung, die aus irgendeinem Grund nie funktioniert hatte, drei neu eingebaute Isolierfenster mit Löchern in den Fugen und ein zu drei Vierteln mit Schwammwischtechnik ockerfarben bemaltes Wohnzimmer zurück. Warum er ausgezogen war, hatte er mir nicht gesagt, obwohl er sonst eher viel redete. Ich nahm an, dass seine Frau ihn verlassen hatte, enerviert von dieser dilettantischen Hobbyheimwerkerei.
    Also blieb mir nur der Kachelofen, der eigentlich nur aus Stylinggründen die letzte Renovierung überlebt hatte, aber das Haus leidlich warm hielt. »So ein Kachelofen macht natürlich eine viel schönere Wärme«, hatte mein Vorbesitzer gesagt, was einer seiner blöderen Sprüche gewesen war, denn Wärme war eine Strahlung mit einer gewissen Energie, und es war völlig egal, ob in diesem Kachelofen nun eine Heizspirale steckte oder dort Holz verbrannte oder eben, wie im Moment, nicht mehr verbrannte.
    Ich griff die Axt, die im Flur an der Wand lehnte, zog die nasse Jacke wieder an, verließ das Haus, sah kurz, und nicht zum ersten Mal an diesem Tag, in den Briefkasten und ging dann um das Haus herum. Als ich die Lkw-Plane anfasste, um eines der großen Buchenholzscheite hervorzuholen, fiel mir ein, dass fast alle meiner Hamburger Freunde eine Umhängetasche aus diesem Material hatten, Arthur hatte sogar zwei. Ich hob die Plane vorsichtig an, damit das Wasser zur Seite abfloss, und fasste den verspäteten Neujahrsvorsatz, ab jetzt rechtzeitig und bei trockenem Wetter Holz zu hacken. Denn so viel erinnerte ich von den Ratschlägen meines Vorbesitzers: Bei Regen Holz zu hacken, war nicht gut. Was hatte er noch gesagt? Ich wusste es nicht mehr, legte eines der Scheite auf den Hauklotz und holte aus.
    Das Gewicht der Axt überraschte mich und zog meine Arme weiter nach hinten als geplant, woraufhin meine Kapuze vom Kopf rutschte und Regen in meinen Nacken fiel. Durch diesen Kälteschauer zur Eile getrieben, ließ ich die Axt nach vorne fallen, als mir einfiel, zu spät einfiel, was mein Vorbesitzer noch gesagt hatte: Ich müsste mich breitbeinig hinstellen, damit die Axt, sollte sie den Hauklotz verfehlen, nicht mein Bein spaltete. Ich rutschte mit den Beinen auf dem matschigen Boden auseinander und versuchte gleichzeitig, die Axt in ihrem Fall zu bremsen. Zu spät. Die Axt sauste hinab, ich versuchte eine hilflose Drehung zur Seite, die Axt verfehlte das Scheit, meine Beine rutschten, rutschten, ich fiel, schloss die Augen und wartete auf irgendeinen Schmerz. Als ich die Augen wieder öffnete, lag ich im Matsch, und die Axt steckte in dem Hauklotz fest. Instinktiv sah ich mich um - hatte mich jemand bei dieser peinlichen Aktion beobachtet? Doch da war natürlich niemand. Noch nicht einmal das Haus eines Nachbarn. Nur Wiesen und Reizklima.
    Zumindest das Badezimmer war gemütlich warm zu bekommen, man musste nur eine Viertelstunde heiß duschen, möglichst noch länger. Am Morgen nach meinem missglückten Holzhackversuch war das umso wichtiger, denn in der Nacht war der Ofen endgültig ausgegangen.
    Der Briefkasten war leer. Wer hätte auch etwas einwerfen sollen, seit ich gestern vor dem Schlafengehen das letzte Mal nachgesehen hatte? Ich überprüfte, ob meine Visitenkarte noch über dem Briefkasten klebte, wo ich sie in Ermangelung eines Türschildes befestigt hatte: Meike Urbanski lit. Übersetzerin und darunter meine alte Hamburger Adresse, die ich durchgestrichen hatte.
    Der Briefkasten war eines von diesen amerikanischen Modellen, die aussahen wie übergroße Weißbrotlaibe. Das passte zu dem Vorbesitzer meines Hauses, seinem Traum vom autarken Siedlerleben in der nordfriesischen Prärie, mit eigener Erdwärme. Bestimmt hatte seine Frau das lächerlich gefunden, jede Frau musste das lächerlich finden, diesen Briefkasten aus dem nächstbesten Baumarkt, der doch so etwas sagen sollte wie: Hier ist Amerika, das Land der Selbstverwirklichung, land of the free, verkörpert durch eine schmutzigweiße Röhre
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