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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht
Autoren: Kristof Magnusson
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rückte mit einer seiner riesigen Hände die randlose Brille zurecht. Er sprach sehr schnell, wobei sich nur sein Mund zu bewegen schien, der Rest seines Gesichts wirkte wie immer seltsam gelähmt. Meinen Platz erkannte ich an der Schalke-Fahne, die ich zwischen die beiden oberen Monitore gesteckt hatte, zwischen den Reuters-Monitor und den Bloomberg-Monitor. Dann merkte ich, dass Alex nicht bei Jeff stand, sondern direkt an meinem Platz. Er sah jemandem über die Schulter. Der an meinem Computer saß. War das etwa nicht mein Platz? Hatte ich mich in der Reihe geirrt? Nein, die königsblaue Schalke-Fahne war ja da. Ich hielt auf sie zu, nahm mir vor, ruhig, aber doch überrascht Guten Morgen zu sagen. Da drehte der Typ an meinem Computer sich um. Ganz langsam, als hätte er auf einem meiner Monitore etwas entdeckt. Erst hatte ich nur seinen Hinterkopf gesehen, nun sah ich seine Nase, seine Brille, sein Kinn, das er hob, um Alex anzusehen, meinen Teamleiter, der darauf bestanden hatte, dass ich mir diesen Tag frei nahm. Als ich sah, dass der Typ eine Krawatte trug, krampfte mein Magen sich zusammen, und ich dachte nur ein einziges Wort: gefeuert. Niemand im Händlersaal trug eine Krawatte. Das war jemand von der Verwaltung. Einer von denen, die uns kontrollierten. Ich war gefeuert. Wusste zwar nicht warum, doch es war eindeutig. Der Krawattenmann richtete meinen Computer für den Neuen ein. Er zeigte auf einen der Monitore. Schüttelte den Kopf.
    Nun war ich es, der schneller ging als alle anderen. Richtung Drehtür, Richtung raus.
    MElKE
    Jetzt musste ich mich nur noch daran gewöhnen, dass es hier richtig schön war. Ich musste mich daran gewöhnen, dass diese Haustür meine Haustür war, und dahinter kein nach Putzmittel riechender Hausflur, keine Kinderwagen, kein von weggeschmissener Werbepost überquellender Plastikeimer, sondern nur meine blauen Schuhe auf den braunen Natursteinfliesen im Vorflur. Dies war ich in meinem neuen Leben.
    Ich hängte meine Jacke zum Trocknen an die Türklinke und betrat mein neues Wohnzimmer, durch dessen Fenster sich mir ein Blick auf das bot, was das örtliche Fremdenverkehrsamt euphorisch Reizklima nannte: ein von heftigem Wind getriebener Regen, der auf eine grüne Wiese fiel. Vorgestern waren darauf noch Schafe gewesen.
    Ich ging an der Stereoanlage vorbei und drückte ohne hinzusehen auf den Knopf, von dem ich wusste, dass Power darauf stand; in der Küche schaltete ich den Wasserkocher an, ohne ihn vorher anzuheben. Ich wusste, dass sich darin von heute Morgen noch genug Wasser für eine Tasse Kaffee befand - so war das, wenn man plötzlich alleine wohnte. Ich öffnete die Dose, an der ich mir schon manchen Fingernagel abgebrochen hatte und tat zwei gehäufte Löffel löslichen Kaffee in die Tasse. Die Anlage klapperte mit den CDs in ihrem Dreifachwechsler, der Wasserkocher machte hing, ich goss das heiße Wasser in die Tasse, rührte um, nahm die Milchpackung aus dem Kühlschrank und schüttelte sie heftig, bis der darin verbliebene Rest zu Schaum geworden war, Milchschaum, den ich in die Kaffeetasse schüttete.
    Das sah fast aus wie in einem Café . In Hamburg, in meinem früheren Leben. Doch ich hatte mich nun hierfür entschieden.
    Ich stellte Tasse und Aschenbecher auf die mit Büchern gefüllte Umzugskiste, die mir als Wohnzimmertisch diente, lief zur Anlage, drückte die Wiedergabetaste und setzte mich genau in dem Moment auf das Sofa, in dem Wagners Tannhäuser mit verschnupft klingenden Blechbläsern begann. Dann sah ich hinaus und dachte darüber nach, wie mechanisch dieser Ablauf geworden war, obwohl ich erst seit vier Tagen hier wohnte.
    Langsam drangen die Farben des Sonnenuntergangs durch das Wolkengrau. Orange, Dunkelblau und Rot. Das war nun wirklich schön. Sofa, Kaffee und Abendlicht - so sollten meine Freunde aus Hamburg mich sehen, während sie in stickigen, überfüllten U-Bahn en auf dem Weg in ihre Wohnungen waren, mit ihren kleinen Küchen, wo die einzige Abendröte aus dem Toaster kam. So sollte Arthur mich sehen.
    Als ich mir gerade eine Zigarette anzünden wollte, fiel mir der Kachelofen ein. Ich hatte seit Stunden kein Holz nach gelegt, musste aber auf jeden Fall vermeiden, dass er ausging, da ich nicht richtig zugehört hatte, als der Vorbesitzer mir erklärte, wie man ihn anfeuert. Ich ging hin, öffnete die gusseiserne Klappe und kniff die Augen zusammen, als mir eine Rauchwolke entgegen schlug Dann griff ich in den Korb neben dem Ofen und
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