Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
einen langen Blick. Eigentlich war es erstaunlich, mit welcher Fassung sie die erste Überraschung aufgenommen hatte.
    »Ja, Mama«, sagte er nach einer langen Pause und klopfte seine Taschen nach Zigaretten ab, fand die Packung, steckte sich eine zwischen die Lippen, sog daran und steckte sie in die Hülle zurück, »ich habe nämlich noch eine kleine Überraschung für dich...«
    »Ach, du liebe Güte«, seufzte Frau Lobedanz, »noch eine? Mein Bedarf an Überraschungen ist eigentlich gedeckt. Aber schieß schon los...«
    Otto Lobedanz trat hinter den Sessel, auf dem Sonny Sonntag saß, und stützte sich auf die Lehne: »Fräulein Sonntag ist nämlich nicht zufällig mitgekommen, Mama«, sagte er und schluckte trocken, »sondern wir haben uns verlobt.«
    Frau Lobedanz saß ein Weilchen ganz still in ihrem Sessel, ihre Augenlider klapperten ein bißchen, und dann erhob sie sich und ging aus dem Zimmer.
    »Jetzt ist’s passiert ...«, flüsterte Sonny ihrem Otto zu, »warum mußtest du auch mit der Tür ins Haus fallen? Diese Überraschung hättest du ihr doch in drei Lagen Seidenpapier gehüllt offerieren müssen. Ach, Ottle...«
    Er lauschte beklommen auf den Korridor hinaus. Rührte sich etwas am Gasometer? Nichts... Er hörte seine Mutter in der Küche rumoren und das Klirren von Glas, er öffnete die Tür, und da sahen sie beide, daß Frau Lobedanz mit einer Flasche und drei Kelchgläsern zurückkam...
    »Clüsserather Bruderschaft 1963«, sagte sie und roch am Flaschenhals, »Kaufmann Arnold hat ihn mir besonders empfohlen. Na ja, für vier Mark fünfundzwanzig muß es ja auch was Gutes sein.«
    »Ja, Mama...«, stotterte Otto Lobedanz fassungslos.
    »Ach, Kinder«, sagte Frau Lobedanz, »für wie dumm habt ihr mich eigentlich gehalten? Die arme Monika mit dem kurzen Bein habe ich euch einmal abgenommen, aber ein zweites Mal bin ich darauf nicht hereingefallen. Denn daß du mir den barmherzigen Samariter vorspielen wolltest, Ottochen, das ging denn doch zu weit...«
    »Mama!« rief Otto Lobedanz und verzichtete im letzten Augenblick darauf, seine Mutter in die Arme zu schließen, weil sie noch immer die Flasche und die Gläser in den Händen hielt, »so kenne ich dich ja gar nicht!«
    »Ja, Kinder«, seufzte Frau Lobedanz, »so kenne ich mich eigentlich selbst nicht. Aber dann hat Herr Schnürchen mich langsam zu der Einsicht geführt, daß man den natürlichen Lauf der Dinge nicht bremsen soll und auch gar nicht ändern kann. Sehen Sie, Frau Lobedanz, hat er gesagt, das ist wie mit den Schwalben, da füttern sie ihre Jungen und verteidigen sie und wärmen sie, und eines Tages fliegen die Jungen auf und davon und bauen sich ihr eigenes Nest. Da haben Sie natürlich recht, Herr Schnürchen, habe ich gesagt, aber die Alten haben dann ja noch die zweite Brut. Und da hat er so auf seine vornehme Art — und da habe ich so richtig gemerkt, was er für ein feiner Mann ist! — gelacht und gesagt: Na, Frau Lobedanz, die zweite Brut muß ja nicht durchaus von Ihnen selber stammen. Überlassen Sie das Brutgeschäft doch ruhig den jungen Leuten und ein bißchen mitfüttern und mitwärmen können Sie die junge Brut dann später ja auch...«
    Sie setzte die Flasche und die Gläser auf den Tisch und schloß Sonny Sonntag in ihre weichen, runden Arme: »So, Kinder, jetzt gebt euch den Verlobungskuß, und dann räumen wir die Bude auf, und dann wollen wir diesen Tag richtig feiern!«

    Und wie sie glotzten und aus den Fenstern hingen, als am Samstagabend um halb acht der Sechs-Liter-Mercedes mit Herrn Kowalski in hellgrauer Chauffeur-Uniform am Steuer vor dem Hause in der Eichendorffstraße hielt! Erst klapperten alle Briefkastenschlitze, als Herr Kowalski unten läutete und Frau Lobedanz und Otto mit Sonny festlich gekleidet die Treppe hinuntergingen, und dann stürzten sie zu den Fenstern, allen voran die Birngeistsche, als sie unten auf die Straße traten und Herr Kowalski stramm grüßte und mit der Tellermütze in der Hand vor Frau Lobedanz und den beiden jungen Leuten den Wagenschlag öffnete. Sogar der Professor spitzte oben durch die Gardinen. Otto Lobedanz trug sieben langstielige Rosen in der Hand, die für Frau Niebelschütz bestimmt waren. Im Wagen, der mit allen Raffinessen ausgerüstet war und sogar Telefon besaß, thronte Frau Pütterich in einem graphitgrauen eleganten Jackenkleid und war wie eine Königin anzusehen.
    »Ja, Frau Lobedanz«, rief sie und rückte zur Seite, während die jungen Leute auf den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher