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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise
Autoren: Horst Biernath
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jemand?«
    »Ja, einen Herrn namens Schnürchen — Hermann Schnürchen...«
    »Schnürchen — gibt’s hier nicht, nee, hat es auch nie gegeben, ich wohne nämlich seit dreiundzwanzig Jahren hier.«
    »Könnte es nicht 25 sein, Ottle? Oder 28? Drei und fünf und acht, das sind Zahlen, die man verwechseln könnte...«
    »Nee«, sagte die Frau kopfschüttelnd, »den gibt’s auch nicht auf 25 und 28. Die Nachbarschaft hier kenne ich. Aber, Moment mal, sagten Sie Schnürchen?«
    »Ja, Schnürchen...«, antwortete Otto Lobedanz.
    Die Frau schnüffelte auf und kicherte in sich hinein.
    »Was ist dabei komisch?« fragte Otto Lobedanz.
    »Na, wissen Sie«, sagte die Frau, noch immer kichernd, »wenn das nicht komisch sein soll, daß Sie glauben, Herrn Schnürchen hier zu finden —, wenn Sie den Schnürchen meinen, den ich meine. Da müßten Sie mal im zweiten Stockwerk links bei Kowalski klingeln...«
    »Im zweiten Stockwerk links?« fragte Otto Lobedanz erregt, »warum gerade da?«
    »Aber das hat auch keinen Zweck, junger Mann, weil der Herr Kowalski schon mindestens zehn Tage weg ist, und seine Frau ist auch nicht daheim, weil sie mit ihrer kleinen Gerda zu ihrer Mutter nach Neustadt geht, wenn der Mann längere Zeit unterwegs ist. Sie fürchtet sich nämlich allein mit dem Kind. Sie ist eben ein bißchen ängstlich... «
    »Entschuldigen Sie schon«, sagte Otto Lobedanz, »aber bis jetzt verstehe ich kein Wort. Was hat nun eigentlich der Herr Kowalski mit Herrn Schnürchen zu tun?«
    »Sie fragen aber komisch...Er ist doch sein Chauffeur. Und wenn ich mich nicht verhört habe, dann ist er jetzt mit seinem Chef nach Paris zum Einkauf unterwegs. Dem Herrn Schnürchen gehört doch das Versandhaus Zentral... Sie wissen doch, wo man immer die dicken Kataloge ins Haus kriegt...«
    Otto Lobedanz wechselte mit Sonny einen langen Blick.
    »Aber, Ottle«, sagte sie schulterzuckend, »das gibt’s doch nicht! Unser Schnürchen...«
    »Verzeihen Sie, Frau...«
    »Terzenbach — wir wohnen unten rechts...«
    »Frau Terzenbach — kennen Sie Herrn Schnürchen? Ich meine, haben Sie ihn gesehen?«
    »Na, hören Sie mal, junger Mann«, sagte die alte Frau und sah Otto Lobedanz an, als suche sie nach einer lockeren Schraube, »Sie werden sich doch nicht einbilden, daß der Herr Schnürchen zu den Kowalskis auf Kaffeebesuch kommt!«
    »Schade, wir hätten zu gern gewußt, wie er aussieht. Wir sind nämlich mit einem Herrn Schnürchen in Italien zusammen gewesen.«
    »Wann denn?«
    »Vor vierzehn Tagen...«
    »Da hatte der Kowalski Urlaub, weil sein Chef verreist war, und ich glaube sogar, er hätte was davon erzählt, daß der Oho nach Italien gefahren ist...«
    »Wer?« fragten Otto und Sonny wie aus einem Munde.
    »Ach, wissen Sie, das ist nämlich der Spitzname vom Chef, sie nennen ihn den Oho, weil er so klein ist. Sie verstehen, klein aber oho! So sagt man doch bei so kleinen Leuten, die aber nur in der Figur zu kurz geraten und sonst alles andere als klein sind.«
    »Danke«, murmelte Otto Lobedanz etwas kurzatmig, »wir wollen Sie dann nicht länger aufhalten...«
    »Aber das macht doch nichts, ich wollte sowieso eine Verschnaufpause einlegen. Wenn Sie mal älter werden, Fräulein, und Krampfadern kriegen wie ich, dann treten Sie auch langsamer...« Sie nickte den beiden jungen Leuten zu und griff wieder nach ihrem Schrubber. Otto Lobedanz und Sonny Sonntag gingen über den kleinen Hofplatz an den Mülltonnen vorbei und verschwanden in der Dämmerung der langen Einfahrt.
    »Was sagst du jetzt, Sonny?« fragte er wie benommen.
    »Ich bitte dich, Ottle, dieser Schnürchen kann doch nicht unser Schnürchen sein!«
    »Und warum nicht?«
    »Geh, Ottle, weil es das nicht gibt, daß so ein Mann, der doch bestimmt Millionär ist...«
    »Zehnfacher oder zwanzigfacher Millionär!«
    »... daß so ein Mann mit Feríale in den Urlaub fährt und in der Villa Annabella absteigt. Oder er müßte einen Dachschaden haben.«
    »Oder pervers sein...«
    »Hast du davon etwas bemerkt, Ottle?«
    Er schüttelte den Kopf: »Nein, nie!«
    »Daraus ergibt sich logisch, daß dieser Schnürchen nicht unser Schnürchen sein kann!«
    »Ach, Sonny«, murmelte er, »mir ist ganz wirr im Kopf.«
    »Was hast du gesagt, wo der reiche Schnürchen wohnt?«
    »In Wilhelmshöhe... «
    »Und wie kommt man dort hin?«
    »Mit der Linie zwölf bis Endstation Friedrichshain, und dann hat man noch eine halbe Stunde zu laufen. Dort ist die Stadt zu Ende, da gibt es nur noch
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