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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise
Autoren: Horst Biernath
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bis auf die Bühne hörte, und Otto Lobedanz spürte, wie ihm die Hände feucht wurden.
    »Dann also« — Peter Paulsen wandte sich an die Kapelle, »bereiten Sie sich immerhin auf den Tusch vor, meine Herren, denn so oder so wollen wir unseren Otto rauschend verabschieden. —
    Und nun zur siebenten Frage! Sie lautet: Für welchen Kanal wurde am 3. Juli 1887 der Grundstein gelegt?«
    Dieses Glück war fast ein wenig unheimlich, denn vor knapp vier Wochen war einer der Chefs von Otto Lobedanz, Herr Klampmann, nach Kiel gereist, um dort die Übergabe eines von der Firma Klampmann & Spiller konstruierten Hebewerks mit einem kleinen Richtfest zu feiern, eine Gelegenheit, bei der er um ein paar passende Worte nicht herumkam. Um sich die Sache leicht zu machen, hatte er Otto Lobedanz beauftragt, ihm ein paar Daten aus der Geschichte des Kaiser-Wilhelm-Kanals — jetzt Nord-Ostsee-Kanal — aufzuschreiben. So kam also die Antwort wie aus der Pistole geschossen, und schon brandete im Parkett der Beifall auf, und Peter Paulsen schob Otto Lobedanz an die Rampe und riß seinen Arm empor, als hätte er im Madison Square Garden die Weltmeisterschaft im Schwergewicht und eine Million Dollar dazu gewonnen. Die Kapelle spielte einen Tusch, und unten stieg Frau Lobedanz auf ihren Stuhl und ruderte mit den Armen, als hätte sie den Verstand verloren. Peter Paulsen aber feierte den Sieger mit einer kleinen Ansprache, in der er diesen Erfolg einen großartigen Triumph der Kreuzworträtselbildung nannte.
    An Otto Lobedanz rauschte alles vorüber. Er spürte nur, daß ihm das Hemd am Rücken klebte. Peter Paulsen aber winkte Fräulein Susi, seine bildhübsche Assistentin, heran, und sie hielt Otto Lobedanz einen Sektkübel mit versiegelten Umschlägen unter die Nase, von denen er einen wählen durfte, so daß die Spannung bis zum letzten Augenblick erhalten blieb. Otto Lobedanz schlitzte den Umschlag auf und — stand vor zwei atemberaubenden Möglichkeiten. Das Reisebüro Feríale gratulierte ihm zu dem Gewinn einer Flugreise nach Mallorca mit vierzehntägigem Hotelaufenthalt und 200 Mark in bar oder — falls er eine Reise zu zweit vorzöge — zu einer Gesellschaftsreise nach Rimini mit siebzehntägigem Aufenthalt und wiederum 200 Mark in bar zur Bestreitung der Nebenausgaben.
    »Nun, Otto, kleiner Glückspilz, was gibt es denn?« fragte Peter Paulsen.
    »Eine Flugreise nach Mallorca...«, stammelte er.
    »Meinen herzlichsten Glückwunsch!« Und damit führte Herr Paulsen Otto Lobedanz, während die Kapelle einen schmetternden Marsch spielte, zur Bühnentreppe, die er genauso blind und benommen hinabstolperte, wie er sie vor zehn Minuten unfreiwillig hinaufgeschoben worden war. Seine Mutter stürzte ihm entgegen und preßte ihn stolz an sich. Peinlich war nur, daß einer seiner Bürokollegen im Saal anwesend war und am Montagmorgen nichts Eiligeres zu tun hatte, als die Geschichte in der Firma zu verbreiten. Seine Chefs zogen ihn genauso wie die lieben Kollegen mit der Kreuzworträtselbildung bis zum Überdruß auf. Aber Frau Lobedanz tröstete ihn liebreich.
    »Laß sie nur faule Witze machen, Ottochen, das ist nichts als gelber Neid. Ich bin mächtig stolz auf dich. Und wenn sie dich jetzt auch auf den Arm nehmen, was meinst du wohl, wie es die ärgern wird, wenn wir ihnen aus Rimini Ansichtskarten schreiben, hahaha!«
    »Wie kommst du auf Rimini?« fragte er verblüfft.
    »Natürlich aus Rimini! Oder glaubst du, ich hätte eine ruhige Minute, wenn ich wüßte, daß du im Flugzeug sitzt? Nein, Otto, das kannst du mir nicht antun!«
    »Aber Muttchen...«, stotterte er.
    »Nicht etwa, daß du denkst, ich machte mir etwas aus Italien! Wo ich doch das Zugfahren so schlecht vertrage. Und dann die Hitze dort unten, und die Seeluft, wo der Doktor Haselmann immer sagt: für Sie ist Seeluft Gift, Frau Lobedanz, für Sie kommt überhaupt nichts anderes als Gebirgsluft in Frage, aber auch nicht über tausend Meter. Das sagt er mir bei jedem Besuch. Aber für dich, Ottchen, opfere ich gern meine Gesundheit. Doch du allein im Flugzeug, nein, Otto, wenn du mir das antust, dann...« Sie sprach nicht aus, was dann geschehen würde, aber Otto wußte Bescheid.
    So zerrann für Otto Lobedanz ein schöner Traum, und so kam seine Mutter dazu, die Vorbereitungen für die gemeinsame Italienreise zu treffen, auch wenn sie Leben und Gesundheit aufs Spiel setzen würde. Und sie blühte darüber so wunderbar auf, daß er sich damit versöhnte, den Flug nach
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