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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise
Autoren: Horst Biernath
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begeisterten Ovation.
    Nun habe er das ausgesprochene Vergnügen, verkündete er, jenen Teil des Programms anzusagen und zu leiten, dessen Akteure einmal nicht die Künstler, sondern das liebe Publikum selber sei. Die Bühne, das Mikrophon, das Lampenfieber, der Erfolg und auch die Blamage — alles stände zur Verfügung. Und zum Erfolg gehörten — Peter Paulsen deutete mit einer Handbewegung zur Seite, wo inzwischen ein kleines Warenlager aufgebaut worden war — Radioapparate, Waschmaschinen, Teppiche, Möbelstücke und zwei Reisen in den Süden, die das bekannte Reisebüro Feríale gestiftet habe.
    In der Sekunde aber, in der das Publikum die Preise musterte und der Quizmaster die einladende Frage stellte, wer es wagen wolle, ritt Frau Lobedanz der Teufel. Sie stieß ihrem Sohn Otto den Ellenbogen in die Rippen und sagte so laut, daß es bis zur Galerie hinauf zu hören war: »Ottochen, die Waschmaschine! Und wo du doch die schwierigsten Kreuzworträtsel herauskriegst...!«
    Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da trat Peter Paulsen sofort einen Schritt näher an die Rampe, verschattete die Augen mit der Hand und rief: »Also komm schon, Ottochen! Wo du doch jedes Kreuzworträtsel löst, wirst du doch deinem lieben Weibi die Waschmaschine nicht unterschlagen!« Der ganze Saal wieherte vor Vergnügen. Otto Lobedanz wünschte sich zuerst, im Boden zu versinken, und dann einen Magneten in die Verlängerung des Rückens, um am Stuhl kleben zu bleiben, aber es half ihm nichts, ein Dutzend Hände schoben und zogen ihn in die Richtung zur Bühnentreppe, wo der Quizmaster ihn am Kragen emporzog, als hole er einen Ertrinkenden aus dem Wasser. Es war ein Anblick, der das Publikum vor Vergnügen toben ließ, und sie tobten noch lauter, als Peter Paulsen Otto Lobedanz ans Mikrophon zerrte und aus ihm herausquetschte, daß das Weibi gar nicht sein Weibi, sondern seine Mutter sei. Inzwischen hatte er aus den Dutzenden, die sich zur Bühne drängten, fünf weitere Schlachtopfer herausgefischt, zwei Herren und drei Damen, aus denen er mit Blitzeseile Namen, Alter, Beruf und Familienstand herauspreßte, immer mit der Soße seines Spottes und dem Pfeffer seiner Ironie. Und Otto Lobedanz war drin und machte das Theater mit, schrieb wie jeder der sechs Kandidaten seinen Namen auf eine Schultafel, hörte Peter Paulsens eindringliche Warnung, daß jeder, der auf die Tafel des Nachbarn schiele, sofort ausscheiden müsse, und dann ging das Rennen los.
    Die versiegelten Umschläge, von denen Quizmaster Paulsen immer einen von einer der teilnehmenden Damen ziehen ließ, enthielten zumeist Fragen aus einem bestimmten Wissensgebiet, es konnte sich dabei um Sport, Literatur, Musik oder um technische Dinge handeln. Schon insofern hatte Otto Lobedanz Glück, daß der Fragenkomplex dieses Mal technischer Art war. Den ersten Punkt erhielt er mit allen Teilnehmern zusammen für die Antwort auf die Frage nach dem Erbauer des Suezkanals. Bei der zweiten ging es darum, wodurch sich Suez- und Panamakanal unterschieden. Bei der dritten, welcher Kanal stärker befahren würde, riet er richtig. Bei der vierten Frage, welches der älteste Durchstich Europas sei, scheiterten vier Teilnehmer und schieden aus dem Rennen. Nach der fünften Frage, wo der erste Durchstich einer Landenge in der Geschichte der Menschheit stattgefunden habe, blieb nur noch Otto Lobedanz allein auf der Bühne. Und als er auch die nächste Frage nach dem Erbauer mit dem Namen des Pharao Setos richtig beantwortet hatte, da ging es um 320 DM Gewinn oder 640 DM Verlust.
    Er hätte in diesem Augenblick abtreten können, zwar noch nicht mit der Waschmaschine, die seine Mutter sich so sehr wünschte, aber doch mit irgendeinem anderen schönen Gewinn. Peter Paulsen, auf einmal sehr liebenswürdig, warf einen Blick auf die letzte Frage und schaute Otto Lobedanz an, als ob er es selber bedauern würde, wenn es jetzt ein Fiasko gäbe. Aber zum zweitenmal war es Frau Lobedanz, die Schicksal spielte. Plötzlich hörte Otto ihre Stimme: »Um Himmels willen, Otto, sei nicht verrückt! Komm herunter, mein Junge, komm sofort herunter!«
    »Na, Otto, wie steht’s?« fragte Peter Paulsen, »wollen Sie es riskieren oder nicht? Dreihundertzwanzig Emmchen sind auch nicht zu verachten...«
    Aber schon aus Protest gegen seine Mutter schüttelte Otto Lobedanz den Kopf und antwortete heiser: »Aufs Ganze!«
    Plötzlich wurde es still im Saal, so still, daß man den lauten Seufzer von Frau Lobedanz
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