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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise
Autoren: Horst Biernath
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stellte ihn vor sich auf das Wachstuch.

II

    Otto Lobedanz verließ das Präsidium voller Empörung und war drauf und dran, vom nächsten Telefonautomaten aus Maria anzuläuten, um sich den Groll über Frau Pütterichs infame Verdächtigungen von der Seele zu wälzen. Aber dann ließ er es doch bleiben, denn sie hatte ihn inständig gebeten, sie nicht während der Bürostunden anzurufen. Ihr Chef, Herr Kienast in der Firma Kienast & Söhne, konnte unangenehm bis zur Grobheit werden, wenn sieh seine Angestellten während der Geschäftszeit privat unterhielten.
    Überhaupt, Maria...Das war auch noch ein Problem, das auf eine Lösung wartete. Bisher hatte er es nicht gewagt, seiner Mutter gegenüber auch nur eine Andeutung zu machen, daß es ein Mädchen gäbe, das so bald wie möglich Frau Lobedanz heißen sollte. Denn er wußte genau, daß es dabei zu einer Wiederholung der peinlichen Szenen kommen würde, die er nun schon zwei- oder dreimal erlebt hatte. Immer hatte er sich den Bitten, Tränen, Beschwörungen und Drohungen gefügt und war schließlich selber zu der Einsicht gekommen, daß man mit den paar Emmchen, die er damals verdiente, wirklich nicht an einen eigenen Hausstand denken durfte. Inzwischen aber war er bei Klampmann & Spiller doch etwas emporgeklettert, und wenn Maria, wie sie es verabredet hatten, noch drei oder vier Jahre bei Kienast & Söhne die Stellung hielt, dann müßte es schon klappen und sie konnten sich »wie die Fürsten« einrichten und wie die Grafen leben. Aber um sich einzurichten, mußte man erst einmal eine Wohnung haben. Bei seinem — allerdings auch reichlich lahmen — Vorschlag, den gemeinsamen Start in der Wohnung seiner Mutter zu beginnen, hatte sie energisch abgewinkt, und er war ihr dankbar dafür, denn das wäre nie und nimmer gut ausgegangen. Dafür waren die Temperamente der beiden Damen zu verschieden oder — einander zu ähnlich. Und außerdem war die Wohnung für drei Leute auch viel zu klein.
    Sie bestand aus zwei Zimmern, einer Kammer, in der Otto Lobedanz schlief, der Küche und einem Bad, das bis zur Brusthöhe hellblau gekachelt war. Das Haus, ein vierstöckiger Neubau, lag in dem sogenannten Dichterviertel, einer ruhigen Wohngegend, deren Straßennamen einen vollständigen Katalog der deutschen Literatur von Walther von der Vogelweide bis Josef Weinheber bildeten. Frau Lobedanz und ihr Sohn Otto wohnten in der Eichendorffstraße 26. Zu den Mietern gehörten ein Eisenbahnoberinspektor und ein Studienrat, der als Herr Professor tituliert wurde. Die Familie Birngeist war weniger angenehm.
    Am kühlsten aber begegnete Frau Lobedanz der Nachbarin auf dem gleichen Stockwerk, Frau Sabine Gutbrod. Es hatte zwischen den Damen vor etlichen Jahren eine heftige Auseinandersetzung gegeben. Eine ziemlich peinliche Geschichte. Frau Gutbrod hatte, als er ihr beim Tragen einer schweren Tasche behilflich war, den damals vierundzwanzigjährigen Otto Lobedanz zu einem Plauderstündchen und zu einem Gläschen Likör in ihre Wohnung eingeladen. Auf der Treppe, wie es sich gerade ergab. Aus dem Plauderstündchen waren dann drei Stunden geworden, und aus einem Gläschen beinahe eine ganze Flasche Apricot. Otto hatte die angeregte Unterhaltung richtig genossen. Das war alles. Aber ob das alles war, darüber gingen trotz der Beteuerungen von Otto Lobedanz, er wüßte überhaupt nicht, was seine Mutter meine, die Ansichten der beiden Damen so weit auseinander, daß es zwischen ihnen zu einem lauten Wortwechsel kam, in dessen Verlauf Frau Lobedanz ihre Nachbarin das Gegenteil einer Dame nannte, worauf Frau Gutbrod ihrerseits Frau Lobedanz den Rat gab, sie solle sich ihren blöden Otto in Essig und öl einlegen.
    Vielleicht waren es gerade diese zornigen Worte, die bewirkten, daß Frau Lobedanz von ihrer ursprünglichen Absicht, Herrn Gutbrod ein paar aufklärende Zeilen zu schreiben, zurücktrat und die ganze Geschichte auf sich beruhen ließ.

    Frau Lobedanz war die Witwe eines Mannes, der den erfreulichsten Beruf ausgeübt hatte, den es auf dieser Erde gibt. Er war Geldbriefträger. Diesen aufrechten Beamten, der überall, wo er auch erscheinen mochte, Fröhlichkeit verbreitete, und dem die Trinkgelder mancher Zahlungsempfänger eine angenehme Nebeneinnahme verschafft hatten, raffte eine doppelseitige Lungenentzündung innerhalb einer kurzen Woche hinweg. Was nützte der Kranz der Oberpostdirektion, und was nützten die ehrenden Nachrufe am Grabe, daß der Verstorbene ein Opfer treuer
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