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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise
Autoren: Horst Biernath
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Schreibtisch und blätterte in einem blau eingehefteten, ziemlich dicken Aktenbündel. Er sah Otto Lobedanz über den Rand einer gelben Hornbrille hinweg ungnädig an.
    Einen Verbrecherjäger hatte sich Otto Lobedanz eigentlich anders vorgestellt. Herr Knuffka hätte ebensogut Postbeamter oder Flaschenbierhändler sein können. Aber vielleicht war das eben die kriminalistische Raffinesse, auszusehen wie jedermann.
    »Sie wünschen?« fragte er kurz angebunden und klemmte den Daumen als Lesezeichen zwischen die Akten.
    »Ich heiße Otto Lobedanz und habe eine Vorladung...«
    »In Sachen?« fragte Herr Knuffka kurz und scharf.
    »Das wollte ich eben bei Ihnen erfahren, Herr Kommissar.«
    »Haben Sie die Vorladung dabei?«
    Otto Lobedanz klopfte seine Taschen ab und fand das Papier in der linken Brusttasche.
    »Na also!« knurrte der Kommissar, faltete den Bogen auseinander und tippte mit dem Finger auf die obere linke Ecke: »Da steht es doch groß und breit: Aktenzeichen F 66/Kn/1736. Moment mal!« Er beugte sich nach rechts herüber, kramte in den Fächern des Aktenhundes, als kraule er einem Bernhardiner das Fell, und zog einen dünnen blauen Ordner heraus. Zwei oder drei Blätter waren darin eingeheftet. Herr Knuffka befeuchte die Spitze des Zeigefingers an der Zunge, warf einen flüchtigen Blick auf den Inhalt des Ordners und behauptete, im Bilde zu sein.
    »Also Sie sind Herr Otto Lobedanz, technischer Zeichner, ledig, unvorbestraft und haben vom 20. bis zum 27. Juli dieses Jahres einen Urlaub in Rimini in Italien verbracht. Stimmt’s?«
    »Jawohl, Herr Kommissar, das stimmt«, stammelte Otto Lobedanz, »aber wenn jemand behaupten sollte...«
    »Was denn, was denn!« unterbrach ihn Herr Knuffka mit gesträubten Augenbrauen, »niemand behauptet etwas. Hören Sie erst einmal zu! Sie waren also in Rimini, und zwar in der Villa Annabella, Viale Doria, bei Signor Gualdini... Was haben Sie? Was ist mit Ihnen los? Ist Ihnen schlecht geworden? Dann setzen Sie sich, dazu steht der Stuhl schließlich da!«
    Otto Lobedanz war bei der Nennung des Namens Gualdini tatsächlich blaß geworden und spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Also ging es doch um die Weinrechnung! Wozu noch lange leugnen? Es hatte ja doch keinen Zweck...
    »Aber ich versichere Ihnen, Herr Kommissar«, sagte er und hob die Schwurhand, während ihm der Schweiß von der Stirn lief, »daß es mir erst daheim aufgefallen ist. Mein Wort darauf! Eigentlich wollte ich mir die Rechnung als Andenken aufheben, wissen Sie, weil man es doch auf so einer Rechnung, wo der eigene Name draufsteht, eben sozusagen schwarz auf weiß hat, daß man tatsächlich in Italien war... «
    »Soso!« grinste der Kommissar schmallippig und fixierte ihn scharf, »Sie behaupten also, Sie hätten es erst daheim bemerkt!« Er triefte förmlich vor Hohn: »Na, dann reden Sie schon! Was wollen Sie denn erst daheim bemerkt haben?«
    »Die siebzehn halben Liter, Herr Kommissar...«
    »Aha!« grinste Herr Knuffka, »und jetzt wollen Sie mir noch weismachen, daß es nur siebzehn halbe Liter waren...«
    »Mein Wort darauf, Herr Kommissar!«
    »Also packen Sie schon aus, junger Mann!«
    Und Otto Lobedanz »packte aus«. Er erzählte die Geschichte haargenau. Natürlich verschwieg er, daß er den Irrtum schon in Rimini bemerkt und seiner Mutter von der kleinen Differenz zu seinen Gunsten die Pantöffelchen gekauft hatte. Herr Knuffka sah ihn unentwegt aus glaskugelstarren Augen an. Und als er fertig war, brach er in ein schallendes Gelächter aus.
    »Da haben Sie also siebzehn halbe Liter Rotwein umsonst gesoffen. So was nennt man Glück, junger Mann! Und es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich höre, daß ein italienischer Wirt sich zu seinen Ungunsten verrechnet hat. Sie sind ein Glückspilz, Herr Lobedanz. Sie sollten Lotto spielen!«
    Otto Lobedanz wurde es so leicht zumute, als sei ein Bleibarren von seinem Herzen gefallen: »Wenn es so steht, Herr Kommissar, dann weiß ich wirklich nicht, warum Sie mir eine Vorladung geschickt haben.«
    Herr Knuffka nahm den dünnen Ordner zur Hand und blätterte eine Seite darin um: »Ich habe da einen Brief bekommen«, murmelte er und zog die Nase kraus, »ein komisches Geschreibsel...« Er schob die Brille in die Stirn und blinzelte Otto Lobedanz aus blind wirkenden Augen an: »Kennen Sie eine Frau — oder vielmehr Witwe Dorothea Pütterich?«
    »Geborene Bollmann? Und ob ich die Dame kenne, Herr Kommissar! Wir waren doch im selben Abteil, und
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