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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer
Autoren: Guy Gavriel Kay
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der auf der Wasseroberfläche stand, und das Leuchten stammte vom Mondschein, der sich in den Millionen von Tropfen, die sein Wassergewand bildeten, fing und verstärkte.
    Er und der Gott sahen einander an, dann erhob Liranan seine Stimme, und er verkündete: »Er ist tot.«
    Das Schiff entlang kam ein Raunen auf und verstummte wieder.
    Paul dachte an das Singen und an die herrlichen Lios in ihren kleinen Booten. Tausend Jahre, in denen sie der hohen, süßen Verlockung ihres Liedes folgend die Segel gesetzt hatten. Tausend Jahre, und keiner von ihnen hatte es gewusst.
    Er warf ihm mit kühler Stimme vor: »Ceinwen hat uns das Horn geschenkt. Du hättest sie warnen können.«
    Der Meergott schüttelte den Kopf. »Das konnte ich nicht«, widersprach er. »Als der Entwirker damals nach Fionavar kam, wurde uns auferlegt, dass wir uns nicht aus eigenem Antrieb einmischen dürften. Die Grüne Ceinwen wird sich schon bald dafür verantworten müssen, aber ich bin nicht bereit, mich gegen den Willen des Webers zu versündigen.« Er schwieg. »Dennoch habe ich deswegen bittere Qualen empfunden. Er ist tot, Bruder. Ich hätte nicht gedacht, dass du mich würdest rufen können. Dir ist es zu verdanken, dass hier wieder die Sterne des Meeres leuchten werden.«
    Paul räumte ein: »Ich habe Hilfe erhalten.«
    Nachdem ein weiterer Augenblick verstrichen war, verneigte Liranan sich vor ihm, wie es vor langer Zeit Cernan getan hatte. Dann verschwand der Gott in der Dunkelheit des Meeres.
    Paul sah Loren an. Er entdeckte die Spuren von Tränen auf dem Gesicht des Magiers. »Du weißt es?« fragte er. Loren nickte gequält.
    »Was denn?« fragte Diarmuid.
    Sie mussten es erfahren. Paul überwand seine Trauer und sagte: »Das Singen kam von den Lios Alfar. Von jenen, die fortgesegelt sind. Sie sind nie weiter nach Westen vorgedrungen als bis hierher. Nicht einer von ihnen.« Brendel , dachte er. Oh, wie soll ich das Brendel sagen?
    Er hörte die Männer von der Südfeste. Ihre hilflose Wut. Es war Diarmuid, den er beobachtete.
    »Was hattest du vor?« erkundigte er sich beim Prinzen.
    »Ja, was?« wiederholte Loren.
    Diarmuid wandte sich dem Magier zu. »Du hast es nicht gesehen?« Er ließ Pauls Arm los und hinkte hinüber zu den Stufen, die zum Ruderstand hinaufführten. Er kam mit einem Gegenstand zurück, der im Mondlicht weiß glitzerte. Er streckte ihn dem Magier entgegen.
    »Oh«, entfuhr es Matt Sören.
    Loren sagte nichts. Es stand in seinem Gesicht geschrieben.
    »Verehrter Erster Magier von Brennin«, sprach ihn Diarmuid an und gab sich große Mühe, seine Gefühle im Zaum zu halten. »Wollt ihr als Geschenk annehmen eine Sache von allergrößtem Wert? Dies ist der Zauberstab von Amairgen Weißast, den Lisen vor so langer Zeit geschaffen hat.«
    Paul ballte die Hände zur Faust. So viele Ebenen des Kummers. Wie es den Anschein hatte, war noch jemand nicht weiter als bis hierher vorgedrungen. Und nun hatten sie erfahren, was dem ersten und größten aller Magier zugestoßen war.
    Loren nahm den Stab und neigte ihn seitwärts, umfasste ihn mit beiden Händen. Trotz all der Jahre im Wasser war das weiße Holz weder abgenutzt noch befleckt, und Paul wusste, dass große Macht in ihm steckte.
    »Gebrauche ihn, Silbermantel!« hörte er Diarmuid sagen. »Übe Rache für ihn, für alle Toten. Sorge dafür, dass sein Zauberstab in Cader Sedat zum Einsatz kommt. Zu diesem Zweck habe ich ihn zurückgeholt.«
    Lorens Finger schlossen sich fest um das Holz.
    »So soll es sein«, war alles, was er erwiderte, doch seine Stimme hatte einen schicksalsträchtigen Klang.
    »Dann soll es wahrhaft so sein«, ließ sich eine tiefere Stimme vernehmen. Sie drehten sich um. »Der Wind hat sich gedreht«, stellte Arthur fest.
    »Nach Norden«, verkündete Coll eine Sekunde darauf.
    Arthur blickte nur Loren an. »Wir erreichen Cader Sedat, indem wir gegen einen Nordwind direkt nach Norden segeln. Kannst du das zustande bringen, Magier?«
    Loren und Matt wandten sich einander zu, wie Paul es sie schon früher hatte tun sehen. Sie wechselten einen Blick, der ihre intensive Vertrautheit miteinander verriet, ohne jede Eile, als hätten sie alle Zeit der Welt. Matt war erschöpft, das war ihm klar, und Loren musste es ebenfalls sein, aber genauso sicher war er sich, dass es darauf nicht ankommen würde.
    Er sah den Magier zu Coll aufblicken. Er bemerkte die Freudlosigkeit seines Lächelns. »Rufe deine Männer auf ihre Posten«, hörte er Loren sagen,
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