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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer
Autoren: Guy Gavriel Kay
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hinübergehen. Dort blieb er stehen, die herausgerissenen Seiten eines Buches in der Hand, die er eine nach der anderen den Flammen überließ. Paul begab sich zu ihm. Lorens Gesicht war überzogen von den Spuren, die Tränen und Schweiß hinterlassen hatten, als sie durch Ruß und Staub herabgeflossen waren, welche aufgewirbelt worden waren, als der letzte Blitzstrahl in sich zusammenfiel.
    Matts letzter Strahl, dachte Paul. Und der von Loren ebenfalls. Seine Quelle war verschieden. Er war kein Magier mehr.
    »Das Buch Nilsoms«, erklärte der Mann, der sie vor so langer Zeit gebeten hatte, mit ihm den Übergang zu wagen. Er überreichte Paul eine Reihe von Seiten. Gemeinsam standen sie da und streckten abwechselnd die Hand aus, um jede einzelne Seite anzuzünden.
    Es dauerte lange, und sie gingen mit äußerster Sorgfalt vor. Irgendwie beruhigt durch die gemeinsame, einfache Aufgabe, sah Paul zu, wie er das letzte Blatt verbrannte, dann wandten er und Loren sich wieder den anderen zu.
    Die gerade allesamt auf eine bestimmte Stelle des Gewölbes starrten.
    Über vierzig Mann waren an jenem Ort versammelt, aber Paul konnte keinen von ihnen atmen hören. Auch er beobachtete Lancelot, erblickte die reine, unnachgiebige Willenskraft in seinen Augen, sah zu, wie nach und nach die Farbe aus seinem Gesicht wich, und er begann, die Größe dieses Mannes zu begreifen, der fähig war, aus purer Entschlossenheit die Räder der Zeit und die Arbeit des Webstuhls zum Stillstand zu bringen. Sie waren nahe dran, er konnte alles sehen.
    Loren gab einen erstickten Laut von sich. Paul hörte das Geflatter von Schwingen. Selbst hier. Gedanke, Gedächtnis.
    »Warte!« gebot er. »Er hat das schon einmal vollbracht. Und wir sind hier in Cader Sedat.«
    Langsam trat Loren vor und Paul mit ihm, um ein wenig näher heranzukommen als die anderen.
    Ein wenig näher an die Stelle, wo Lancelot du Lac, soeben erst erweckt von seinem eigenen Tode, auf dem Steinfußboden kniete, die Hände Matt Sörens zwischen den seinen und an seine Stirn gepresst.
    Und weil sie näher dran waren als die anderen, waren er und Loren die ersten, die beobachten konnten, wie der Zwerg wieder zu atmen begann.
    Später war Paul nicht mehr fähig, sich daran zu erinnern, was er gerufen hatte. Er wusste lediglich, dass der Schrei, den die Männer Brennins ausstießen, noch mehr Steine aus den Mauern Cader Sedats gelockert hatte. Sie eilten herbei, einige mit Fackeln in der Hand. Loren war wieder auf die Knie gefallen, mit leuchtendem Gesicht, und zwar an der Seite des Zwerges, die der von Lancelot gegenüberlag. Der dunkelhaarige Mann war blass, aber gefasst, und sie konnten erkennen, dass Matts Atmung mit der Zeit immer regelmäßiger wurde.
    Und dann blickte der Zwerg zu ihnen auf.
    Lange Zeit schaute er Loren an, dann wandte er sich an Lancelot. Er warf einen Blick auf seine Hände, die der andere nach wie vor umklammert hielt, und Paul sah ihn begreifen, was vorgefallen war. Matt blickte auf die über ihn gebeugten, von Fackeln erleuchteten Gesichter. Sein Mund verzog sich so, wie sie es von ihm gewohnt waren.
    »Was ist mit meinem anderen Auge passiert?« richtete Matt Sören die Frage an Lancelot, und sie alle lachten und weinten vor lauter Freude.
     
    Es lag daran, dass sie sich hier befanden, erläuterte Lancelot, und daran, dass er selber gerade erst vom Tode auferstanden war, und daran, dass Matt sich keine tödliche Wunde zugezogen hatte, sondern ihm nur die Lebenskraft entzogen worden war. Und, fügte er auf seine freundliche, zurückhaltende Art hinzu, außerdem lag es daran, dass er das schon einmal auf Camelot vollbracht habe.
    Matt nickte bedächtig. Er war bereits wieder auf den Beinen. Sie umdrängten ihn, wollten ihm gar keine Ruhe gönnen. Zulassen, dass sich eine Lücke zwischen ihnen auftat. Lorens erschöpftes Gesicht glühte von innen heraus. Es war herzerfrischend, ihn anzusehen.
    »Gut«, schlug Diarmuid vor, »nun, da wir unseren Magier und seine Quelle wiederhaben, könnten wir doch lossegeln, nicht wahr?«
    Ein Chor der Zustimmung antwortete ihm.
    »Das sollten wir tun«, stimmte Loren zu. »Aber du solltest wissen, dass Teyrnon nun der einzige Magier in Brennin ist.« »Was?« Der Zwerg stellte diese Zwischenfrage.
    Loren lächelte traurig. »Versuche, mit mir Verbindung aufzunehmen, mein Freund.«
    Allmählich sahen sie jegliche Farbe aus Matts Gesicht weichen. »Ruhig«, warnte Loren. »Beruhige dich.« Er wandte sich an die übrigen.
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