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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
Autoren: Tommy Krappweis
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Bröselkekse. Mein Vater führt diese bis heute mit Vorliebe auf Reisen mit sich, weil man die Packung so gut komprimieren kann, indem man die Luft rauslässt und dann zusammendrückt, bis es knirscht.
    Außerdem kann man mit dieser Kekstüte nahezu alle wie auch immer geformten Lücken im Pack-Tetris auffüllen. Geschmack und Zustand der Kekse sind vor dem Hintergrund der Pack-Eignung als nachrangig zu betrachten. Aber das gilt ja grundsätzlich für alles, was man an Vorräten beim Camping dabeihat. Diese Kekse wurden also mit spitzen Fingern in den Mund gebröselt, als würde man sich die Zähne salzen, und dazu gab es Kaffee, Diesel und Sand.
    Ich blieb die Pausen über meistens im Bus und erholte mich von den Strapazen der Fahrt. Das konnte man drinnen besser als draußen neben der Straße. Wenigstens war es jetzt endlich mal ruhig und wackelte nicht. Außerdem konnte ich dann den Pumuckl auch verstehen, ohne dass ich mir das Muster des Lautsprechers auf die linke Kopfseite stempelte.
    Irgendwann hatten meine Eltern jedoch genug entspannt und stiegen hustend wieder ein. Ob der Husten von den Abgasen, dem Kaffee oder den Keksen herrührte, war nicht auszumachen, und ich tippe auf eine Mischung aus allem.
    Mein Vater startete das Hippiemobil und schmetterte uns todesmutig in eine Lücke zwischen den Schüsseln der anderen Verkehrsteilnehmer. Kaum waren wir auf der Schleichspur angekommen und hatten dröhnend die Höchstgeschwindigkeit von 78 Stundenkilometern erreicht, passierte es: Meine Mutter kreischte so laut, dass ich es erst gar nicht als Schrei erkannte. Doch da sie wie verrückt mit den Beinen strampelte und dazu panisch an ihrem Gurt riss, war schnell klar, woher das Geräusch kam.
    Mein Vater scherte sofort wieder aus und hielt auf dem schmalen Grat, den man dort gnädig als eine Art Standstreifen für die Totalversager und Touris übrig gelassen hatte.
    Meine Mutter sprang aus dem Auto wie ein Flummi und schrie dazu etwas von einer Spinne. Mein Vater seufzte und verdrehte die Augen. Die ganze Aufregung wegen so einem kleinen Krabbeltier?
    »Nein!«, schrie meine Mutter: »Wegen einem riesigen! Die ist so groß!« Dazu beschrieb sie mit beiden Händen etwas von dem Volumen eines Tennisballs, was für eine Spinne schon echt verdammt groß ist. Ich, der ich Insekten aus tiefstem Grunde meines Herzens verabscheue, war ebenso wenig wie meine Mutter dazu zu bewegen, den Bus wieder zu besteigen, bis die Spinne selbigen verlassen hatte.
    Mein Vater seufzte noch einmal. Und dann begann er zu suchen …
    Bitte stellen Sie sich für die nächsten eineinhalb Stunden Folgendes vor: Am schmalen Rand einer von geisteskranken Hup-Fetischisten befahrenen Straße steht ein grüner VW-Bus mit lächerlich hoch bepacktem Gepäckträger. Direkt davor im Schatten, den der Dachständer wirft, sitzen eine Frau und ihr kleiner strohblonder Sohn auf den Leitplanken und schauen stumm auf einen Mann mit Bart, der mit schicksalsergebenem Blick das Auto ausräumt. Ja, ausräumt.
    Alles, was beweglich ist und als Versteck für eine faustgroße Spinne dienen könnte, fand sich schließlich entlang der Leitplanken wieder und bildete irgendwann eine meterlange Schlange aus Discounter-Fraß, Autositzen, Bodenteppichen, Klamotten und Dingen, die man klappen kann. Eine Spinne fand sich auch nach geschlagenen eineinhalb Stunden nicht.
    Schließlich stelle mein Vater den Wasserkanister ab, den er gerade aus der Sitzbank gehoben hatte, und sank schwitzend vor uns darnieder. »Da is nix … aber scho gleich übahauptsnix.« Schnaufte er, griff dann den Kanister, wuchtete ihn auf die Leitplanke, öffnete die Verschlusskappe und hielt seine rote Birne darunter.
    In meiner Erinnerung zischte es bei dem Anblick, aber das ist sicher nur meiner Cartoon-geprägten Vorstellung zu verdanken. Mein Vater verschloss den Kanister und machte sich nun pitschnass, aber abgekühlt daran, alles wieder einzuräumen. Wenn man bedenkt, dass das auf dem Parkplatz in München-Neuperlach bis zu drei Tage in Anspruch nehmen konnte, ist es als eine einsame Spitzenleistung zu werten, dass mein Vater bei Einbruch der Dunkelheit wieder alles verstaut hatte.
    Inzwischen hatten auch meine Mutter und ich deduziert, dass die Spinne sicher längst das Auto verlassen hatte. Gegenseitige Versicherungen wie »Was hätte sie da drin auch wollen sollen?« oder »Die hatte bestimmt mehr Angst vor uns als wir vor ihr« und dergleichen mehr vor uns her betend, stiegen wir also
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