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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)
Autoren: Shani Boianjiu
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einer der Gefangenen unschuldig ist?«
    »Meine Mutter ist blind«, sagte der Koch. »Mein Vater muss sie ins Bad führen und auf die Toilette setzen. Und höchstwahrscheinlich ist keiner von denen unschuldig. Die Armee schafft es doch kaum, alle Schuldigen einzusperren.«
    »Was ist, wenn einer der Gefangenen bloß einen Fehler gemacht hat? Etwas, was sie gar nicht tun wollten, aber getan haben, bevor sie sich versahen?«
    »Dann ist es gerecht, egal was ich mache. Dann wissen sie, dass sie einen Fehler gemacht haben.«
    »Was ist, wenn ihnen etwas passiert ist?«
    »Was denn?«
    »Irgendwas. Sie haben gerade was getan, und dann ist ihnen plötzlich was passiert. Hast du noch nie was getan, und dann ist dir plötzlich was passiert?«
    »Was denn?«
    »Etwas, was dir zugestoßen ist. Du warst erst hier, und dann warst du plötzlich dort, als wärst du mit dem Bus gefahren, aber bei der Ankunft wüsstest du nicht mehr, warum du Bus gefahren bist.«
    »Ich fahre nie Bus«, sagte der Koch.
    »Bitte mach nichts Schlimmes mit den Sandwichs.«
    »Ich fahre nie Bus.«
    Als er das zweite Mal sagte, er würde nie Bus fahren, wusste sie, dass er sie verstanden hatte. Sie verstand sich selbst nur Wort für Wort, aber als sie ausgesprochen hatte, verstand sie auch ein anderer Mensch als ein Koch, der ihr schon den Hals geküsst hatte, als ihre Nase noch gebrochen war.
    Nach dem Ende ihres dreijährigen Militärdienstes nahm meine Mutter die dreitausend Schekel, die ihr Vater jeder seiner Töchter gab, wenn sie aus der Armee kam. Sie flog nach Frankreich, arbeitete als Kindermädchen und lernte einen Mann kennen, den sie zu sehr liebte, und an dem Tag, an dem er sich von ihr trennte, wünschte sie sich ein sehr vorhersehbares Leben. Als sie nach Israel zurückflog, hatte sie gerade noch genug Geld, um sich für Zeichenkurse im Sommer einzuschreiben, sonst nichts. Ihre großen Schwestern waren da schon Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen oder Mütter. Später schämte sie sich ganz entsetzlich für diese Sommerkurse. Nach den drei glorreichen Jahren am Strand war dies ihre endgültige Landung. Ich habe nie eine ihrer Zeichnungen gesehen, habe sie nie zeichnen sehen. Nach meiner Geburt.

    Bis auf die Leute, die die Geiseln befreiten, glaubte niemand, es würde eine Befreiungsaktion geben. Nur ein Teilnehmer der Befreiungsaktion starb. Der Tote hieß Yonatan Netanjahu. Sein kleiner Bruder wurde Ministerpräsident und dann noch einmal. Die Flugzeuge landeten nicht auf dem Stützpunkt am Strand, um vor dem Weiterflug nach Uganda noch einmal zu tanken. Sie machten Zwischenlandung im kenianischen Nairobi. Die Regierung überlegte da noch, die Rettungsaktion auf dem Seeweg durchzuführen. Erst in Äthiopien erhielten die Rettungsmannschaften die Genehmigung, ihren Plan durchzuführen. Sie landeten in der Dunkelheit, eine weiche Landung. Autos standen schon für sie bereit; ein Wagen glich Idi Amins Mercedes bis aufs Haar. Ein ugandischer Wachmann, der nie den Führerschein gemacht hatte, sich aber für Autos interessierte und immer hoffte, sein erstes Auto würde ein Mercedes sein, wusste, dass Amin eine Woche zuvor den Wagen gewechselt hatte. Er rief seinen Freund, und sie stoppten den Wagen. Da erschoss ihn ein israelischer Soldat mit einer Waffe mit Schalldämpfer. Dann erschoss der israelische Soldat den Freund. Das Auto wollte davonfahren. Ein Soldat namens Roy sah aus dem Fenster und merkte, dass sich der Freund noch bewegte. Roy war Feldwebel, zwanzig Jahre alt und trägt heute die Last des Todes aller, die bei der Befreiungsaktion starben. Er erschoss den Freund mit einer Kalaschnikow durchs Fenster, laut. Deshalb wussten die Entführer drei Minuten bevor die Israelis das Flughafengebäude stürmten, dass es aus war. Sie versteckten sich in der Toilette, und eine Entführerin weinte, aber am Ende kamen sie alle ums Leben.
    Es waren die israelischen Soldaten, die aus Versehen die vierundfünfzigjährige Ida erschossen. Sie war aus Russland nach Israel eingewandert und suchte Sicherheit. Sie erschossen auch einen Neunzehnjährigen, der ein Soldat genau wie die israelischen Soldaten geworden wäre, die ihn aus Versehen erschossen, als sie das Gebäude stürmten, nur war er in Frankreich geboren und studierte an der Universität. Ein israelischer Soldat wurde von einem ugandischen Scharfschützen in den Hals getroffen, und bis zu seinem Tode zweiunddreißig Jahre später konnte er nur noch die Augenlider bewegen. Siebenundvierzig
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