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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll
Autoren: Frederick Forsyth
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Ergebnis. Ich schlage die Lammkeule vor, köstlich um diese Jahreszeit.«
    »Was die Glückwünsche betrifft, Sir, so besteht dazu leider kein Grund«, sagte Preston ruhig.
    Sir Nigel studierte über seine Halbbrille hinweg die Speisekarte.
    »Wirklich? Sind Sie so musterhaft bescheiden oder, weniger musterhaft, unhöflich? Ah, Bohnen, Karotten und vielleicht eine gebackene Kartoffel, mein Lieber.«
    »Ich halte mich nur für realistisch«, sagte Preston, nachdem die Bedienung weg war. »Könnten wir über den Mann sprechen, den wir als Franz Winkler kennen?«
    »Den Sie so brillant bis nach Chesterfield beschatteten?«
    »Gestatten Sie mir, aufrichtig zu sein, Sir Nigel, Winkler hätte keine Schnecke abhängen können. Er war unfähig und töricht.«
    »Ich glaube, er hätte Sie alle beinah auf dem Bahnhof Chesterfield verloren.«
    »Reiner Dusel«, sagte Preston. »Wir hatten zu wenig Observanten, sonst wären an jeder Haltestelle auf der ganzen Strecke Leute postiert gewesen. Aber worum es geht, sind seine plumpen Manöver; sie zeigten uns, daß er ein Profi war, aber so schlecht, daß er uns nicht abschütteln konnte.«
    »Aha. Und was war weiter mit ihm? Ah, das Lamm, und vorzüglich gebraten.«
    Sie warteten, bis die Kellnerin sie bedient hatte und wieder gegangen war. Preston stocherte verwirrt in seinem Teller. Sir Nigel aß mit Genuß.
    »Franz Winkler traf in Heathrow mit einem echten österreichischen Paß und einem gültigen Visum ein.«
    »Sicher tat er das.«
    »Und wir wissen beide, genau wie der Beamte an der Paßkontrolle, daß österreichische Staatsbürger zur Einreise nach England kein Visum brauchen. Auch in unserem Konsulat in Wien hätte man Winkler das gesagt. Eben dieses Visum veranlaßte den Beamten in Heathrow, die Paßnummer in den Computer einzugeben. Und es stellte sich heraus, daß sie falsch war.«
    »Wir alle machen Fehler«, murmelte Sir Nigel.
    »Der KGB macht diese Art Fehler nicht, Sir. Seine Urkunden stimmen bis auf den letzten I-Punkt.«
    »Man sollte ihn auch nicht überschätzen, John. Jede große Organisation baut zuweilen Mist. Noch Karotten? Nein? Dann werde ich vielleicht -«
    »Dieser Paß, Sir, enthielt zwei Schwachstellen. Die roten Lämpchen sind deshalb aufgeflackert, weil vor drei Jahren ebenfalls ein angeblicher Österreicher mit der gleichen Paßnummer in Kalifornien vom FBI festgenommen wurde und jetzt seine Strafe in Soledad absitzt.«
    »Tatsächlich? Du lieber Himmel, das war aber nicht sehr schlau von den Sowjets.«
    »Ich habe den FBI-Mann hier in London angerufen und gefragt, wie die Anklage damals lautete. Wie es scheint, versuchte dieser andere Agent einen Angestellten der Intel Corporation im Silicon Valley durch Erpressung dazu zu bringen, daß er ihm technologische Geheimnisse verkaufte.«
    »Sehr ungehörig.«
    »Es handelte sich um Nukleartechnologie... «
    »Woraus Sie schlossen...?«
    »Daß Franz Winkler auffallen sollte wie ein Neonschild. Und dieses Schild war eine Botschaft; eine Botschaft auf zwei Beinen.«
    Sir Nigels Gesicht trug immer noch seine Lachfältchen, aber aus den Augen war die gute Laune verschwunden.
    »Und was hat diese wunderbare Botschaft besagt, John?«
    »Ich glaube, sie besagte: Den ausführenden Illegalen kann ich dir nicht geben, weil ich nicht weiß, wo er ist. Aber folge diesem Mann; er wird dich zu dem Sender führen. Und das tat er auch. Also habe ich den Sender aufgestöbert, und der Agent stellte sich schließlich dort ein.«
    »Was genau wollen Sie eigentlich sagen?«
    Sir Nigel legte Messer und Gabel auf den leeren Teller und betupfte sich den Mund mit der Serviette.
    »Ich glaube, Sir, daß die Operation abgeblasen wurde. Mir scheint die Schlußfolgerung unvermeidlich, daß jemand auf der anderen Seite sie absichtlich platzen ließ.«
    »Eine ganz außerordentliche Idee. Ich würde die Erdbeertorte vorschlagen. Hab' sie vorige Woche gegessen. Natürlich eine andere. Ja? Zwei Stück bitte, meine Liebe. Ja, ein bißchen Sahne.«
    »Darf ich Sie etwas fragen?« sagte Preston, als der Tisch abgeräumt war.
    »Das werden Sie doch so oder so tun«, lächelte Sir Nigel.
    »Warum mußte der Russe sterben?«
    »Soviel ich weiß, kroch er auf eine Atombombe zu, in der offenbaren Absicht, sie zur Detonation zu bringen.«
    »Ich war dabei«, sagte Preston, als die Erdbeertorte serviert wurde. Sie warteten, bis die Sahne ausgeteilt war.
    »Der Mann war in Oberschenkel, Magen und Schulter getroffen worden. Captain Lyndhurst
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