Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
eine unbestimmte Verwunderung, weil er allem Anschein nach die Zwangslage durchaus nicht so widerwärtig fand, die ihn dazu genötigt hatte, vor ihr seine Ratlosigkeit zu offenbaren.
    Und doch verursachte das Geräusch seiner Schritte, als er die Außentreppen hinabstieg, ihr ein Gefühl des Verlassenwerdens, als wäre sie allein mit einer Last zurückgeblieben, deren Natur sie nie vollends begreifen können sollte.
    Böse Vorahnungen befielen sie, aber sie achtete nicht darauf. Sie hatte keine annehmbaren Alternativen. Einen Moment lang saß sie noch, wo sie die ganze Zeit hindurch gesessen hatte, besah sich die stumpfen, gelben Wände ringsumher, dann ging sie unter die Dusche.
    Nachdem sie von ihrer Mißgestimmtheit soviel heruntergewaschen hatte, wie sich mit Seife und Wasser auflösen ließ, zog sie ein eintönig graues Kleid an, das alle Effekte ihrer Weiblichkeit minimalisierte, und brachte noch ein paar Minuten damit zu, den Inhalt ihrer Arzttasche zu überprüfen. Immer empfand sie ihn als unzureichend – es gab so viele Dinge, die sie vorstellbarerweise brauchen könnte, die sich aber unmöglich dauernd mitführen ließen –, und nun kam er ihr erst recht vor wie eine allzu unzulängliche Ausstattung wider das Unbekannte. Aber aus Erfahrung wußte sie, daß sie sich ohne ihre Arzttasche nackt fühlen würde. Mit einem Seufzen der Müdigkeit schloß sie die Wohnung ab und stieg die Treppe hinab zu ihrem Auto.
    Indem sie langsam fuhr, um sich Zeit zum Kennenlernen einprägsamer örtlicher Besonderheiten zu lassen, folgte sie der Richtungsweisung Dr. Berenfords, und wenig später durchquerte sie das Zentrum der Ortschaft.
    Die spätnachmittägliche Sonne und die Dunstigkeit der Luft bewirkten, daß die Häuser aussahen, als ob sie schwitzten. Die Geschäfte schienen sich vor den warmen Gehwegen zurückzulehnen, als hätten sie allen Enthusiasmus und sogar die Zugänglichkeit vergessen, deren sie zum Überleben bedurften; und das Gerichtsgebäude mit seinem matten weißen Marmor und dem von riesigen steinernen Häuptern auf verfälschten griechischen Säulen getragenen Dach erweckte nicht den Eindruck, seinen Verantwortlichkeiten gewachsen zu sein.
    Auf den Bürgersteigen herrschte relativ viel Betriebsamkeit – Menschen strebten von der Arbeit nach Hause –, aber nur eine kleine Gruppe von Personen vor dem Gerichtsgebäude erregte Lindens erhöhte Aufmerksamkeit. Eine verwelkte Frau mit drei kleinen Kindern stand auf den Stufen. Sie trug ein formloses Hemd, anscheinend aus Sackleinen gefertigt; und die Kinder waren in so etwas wie Sackkleider aus grober Juteleinwand gehüllt. Das Gesicht der Frau war gräulich und bar jeglichen Ausdrucks, als hätten Armut und Ermattung sie für die Ausgezehrtheit ihrer Kinder unempfindlich gemacht. Alle vier hielten in den Händen kurze hölzerne Stäbe, die versehen waren mit kruden Zeichen.
    Die Zeichen wiesen rote Dreiecke auf. In jedem Dreieck stand ein Wort: BEREUE.
    Die Frau und ihre Kinder mißachteten die Straßenpassanten. Sie standen nur wie benommen auf den Stufen des Gerichts, als wäre ihnen eine Strafe zugesprochen worden, die sie nahezu gelähmt hatte. Lindens Herz empfand im Angesicht ihrer seelischen und körperlichen Not sinnlose Pein. Für solche Leute konnte sie nichts tun.
    Drei Minuten später befand sie sich außerhalb der Ortsgrenze.
    Dort begann die Straße durch bestellte Täler, die zwischen waldigen Hügeln lagen, zu verlaufen. Außerhalb der Ortschaft waren die für die Jahreszeit ungewöhnliche Wärme und Feuchtigkeit allem zuträglicher, das sie berührten; sie brachten die Luft zum Flimmern, so daß sie wie ein Etwas von innewohnendem Charakter über den frisch bestandenen Feldern schwebte, an den mit einem Gewirr von Grasarten und Kräutern bewachsenen Hängen der Hügel, zwischen den im Knospen begriffenen Bäumen; und Lindens Gemütsverfassung hob sich beim Anblick der Weise, wie die Landschaft im Nahen des Abends glänzte. Sie hatte soviel von ihrem Leben in Städten zugebracht. Weiterhin fuhr sie langsam; sie wollte die schwache Hoffnung auskosten, hier etwas gefunden zu haben, an dem sie Freude verspüren konnte.
    Nach rund drei Kilometern gelangte sie an ein zur Rechten gelegenes Feld, dicht überwuchert von Gänsedisteln und wildwüchsigem Senf. Jenseits des Felds stand, ungefähr einen halben Kilometer entfernt, vor einer Kette von Bäumen ein weißes Farmhaus. Noch zwei oder drei andere Häuser grenzten an das Feld, näher an der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher