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Das Versprechen Des Himmels

Titel: Das Versprechen Des Himmels
Autoren: Robert Asprin
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winziger kristallener Mond, ein Stückchen ihrer Göttin.
    Durch ihre Furcht hindurch spürte sie den Schatten, der über sie fiel. Sie schluchzte kurz auf und wischte schnell die Tränen fort, ohne zu bedenken, daß Rouge und Wimperntusche verschmiert würden. Dann stand sie auf, so schnell ihr enges Gewand es erlaubte, und rang sich ein Lächeln ab.
    Es war derselbe Mann. Die gleiche Größe und Statur, die gleiche dunkle Kleidung. Mondschein fiel auf seine Züge. Er war jung, nur wenig älter als sie, sah auch nicht schlecht aus, trotz einer gewissen Härte und Schärfe in seinem Blick. Sie holte tief Atem und zeigte sich von ihrer besten Seite.
    Doch dann entspannte sie sich, und ihre Miene hellte sich auf. »Ich kenne Euch!« stellte sie fest. »Ihr seid mit der Arbeiterkarawane gekommen...«
    »Ich brauche Euch«, unterbrach er sie heiser.
    Sie blickte ihm in die Augen, sie waren wunderschön, so voll Wärme. »Selbstverständlich«, sagte sie und erinnerte sich, weshalb sie hier war, weshalb er hier war. Und doch war mehr Hoffnung in ihrer Stimme als Betörung. Sie dachte kurz an das Frühstück, das sie sich morgen würde leisten können. Vielleicht sogar ein Zimmer. Es war schrecklich, auf der Straße schlafen zu müssen, sie hatte ständig Angst. Sie mußte ihn nur zufriedenstellen, und das dürfte nicht so schwer sein. Er hatte so wunderschöne Augen!
    »Kommt mit!« forderte er sie sanft auf und streckte eine Hand aus.
    Sie nahm sie. Seine Berührung wärmte sie. Seine Hand fühlte sich so weich an. Das verwunderte sie. Wenn er einer der Arbeiter war, die zum Neubau der Mauer um Freistatt geschickt worden waren, sollten seine Hände rauh sein. Aber es freute sie, daß sie es nicht waren, und sie verdrängte diesen Gedanken. Da war etwas anderes, woran sie denken, das sie sagen sollte. Was war es nur?
    »Es kostet.« Sie zögerte verlegen. Sie hatte keine Ahnung, was die Mädchen üblicherweise verlangten. »Ich meine, nun, eine Krone.« O verdammt! dachte sie. Das ist viel zu viel für eine einfache Straßendirne. Eine ganze Goldmünze!
    Aber er hob die andere Hand dicht vor ihr Gesicht, und einen Moment konnte sie die verlangte Münze sehen, ehe er sie in seiner Faust verschwinden ließ.
    Tiana konnte ihr Glück nicht fassen. Gold und schöne Augen! So waren ihr die Götter in dieser Nacht doch hold! Er hatte wahrhaftig die unvorstellbarsten Augen, so voll Ozean, voll Dunkelheit, voll Versprechen.
    »Kommt mit«, sagte er wieder. Seine Stimme war der sanfte Wind; selbst als er nicht mehr sprach, hörte sie seine Worte noch. Er war die Stimme der Nacht.
    Sie blickte in seine Augen. Hand in Hand traten sie aus Sabellias Parknische auf den Weg hinaus. Aus Achtung vor der Stille des Parks knirschte nicht einmal der Kies unter ihren Füßen.
    Unbewußt lächelte Tiana.
    Immer noch schien der Mond auf die kleine Büste im Himmlischen Versprechen.
    Doch Dunkelheit hüllte das übrige Freistatt ein.
    Der Vollmond sandte seinen Schein exakt durch das Oberlicht auf Sabellias Altar und verlieh der anmutigen Skulptur der Göttin ein sanftes Schillern. Ihre makellosen Marmorzüge schimmerten, als der duftende Rauch von vielen Kohlenbecken aufwirbelte, die am Saum ihres Gewandes in den Boden eingelassen waren. Immer höher stieg er wie Hexenwetterdunst, liebkoste ihre sinnlichen Kurven und kräuselte sich der Silberscheibe am Himmel entgegen.
    Dayrne blickte auf und suchte Sabellias verschleierten Blick. Er wußte, daß sie bei ihm war, anwesend in dieser ersten Vollmondnacht des Herbstes, während der Silberschein ihren Altar beleuchtete. Er spürte ihre Macht, spürte, wie sie sein Herz berührte.
    »Cheyne«, murmelte er, als er niederkniete. »Meine Cheyne.« Er betete keine anderen Worte laut. Das brauchte er nicht. Sabellia kannte ihn gut. Die Göttin hatte seine Seele gezeichnet.
    Er griff in seine Tunika und brachte ein kleines Bündel weißen Satin zum Vorschein. Behutsam rollte er es auf. Mehrere Strähnen feinen blonden Haares glänzten im Mondschein. Ein Silberfaden hielt sie zusammen. Wie lange trug er sie schon heimlich bei sich, diese Haare, die er von ihrer Bürste genommen hatte? Drei Jahre? Vier?
    Er legte sein kleines Opfer auf Sabellias Altar. Es war kein wertvolles Geschenk, doch ihm war es unendlich teuer. Nur das zählte für die Göttin.
    Dayrne beugte den Kopf. Doch plötzlich blieben die Gebete aus.
    Wohin war sie verschwunden, seine Cheyne? Warum hatte sie nicht auf seine Rückkehr mit den
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