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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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hervorblitzte, umrahmte ihr Haupt wie eine Krone, und ihre ebenmäßigen, beinahe kindlichen Gesichtszüge hoben den Glanz ihrer grünen Augen hervor. Ihr einfaches, in Falten gelegtes azurblaues Kleid wurde an der Taille von einer goldenen Herzbrosche gehalten, durch die ein Pfeil ging.
    »Nein, Ferruccio, ich möchte es sehen«, antwortete sie.
    Wenn sein Weib Leonora ihn beim Namen nannte, wusste er genau, dass sich ein Unwetter über ihm zusammenbraute. Meistens zog er es dann vor, sich fluchtartig zurückzuziehen und aus der Ferne abzuwarten, bis sie sich Luft gemacht hatte – in dieser Situation, das wusste er, konnte er das jedoch nicht tun; ja, er wollte es auch nicht einmal.
    »Wie kann es geschehen, dass ein Mann Gottes ein verrückter Fanatiker und sogar zum Mörder wird? Erinnerst du dich? Als er uns verheiratete, sprach er von Liebe, wenn auch auf seine ganz eigene Art.«
    Ferruccio seufzte.
    »Die Menschen ändern sich. Und nun ist Lorenzo nicht mehr da, der sich ihm entgegengestellt hätte. Die Stadt gehört ihm.«
    »Ich hätte gute Lust, mich wie eine Kurtisane zu kleiden, mir die Lippen rot zu färben, mir Goldketten und Perlen in die Haare zu flechten und mich ihm so zu präsentieren. Ich würde ihm in die Augen schauen und ihn zwingen, zu Boden zu blicken!«
    »Dazu wärst du wohl fähig!« Er lächelte sie an. »Und ich würde gerne seinen Gesichtsausdruck sehen … Aber ich fürchte, dass er dich unverzüglich in Ketten legen ließe – und wie würdest du dich dann befreien, sag?«
    » Ich wüsste nicht, wie – aber du schon«, erwiderte sie lächelnd. »Du kannst schließlich alles.«
    Ferruccio genoss Leonoras Worte, in denen beides, Ernst und Spaß, mitschwangen und durch die er sich allmächtig fühlte. Er war sich nicht sicher, ob es ihr besser gefiel, beschützt zu werden, oder ihm, sie zu beschützen.
    Er zog sie noch enger an sich, als eine gewaltige Explosion sie zusammenfahren ließ: Glühende Holzscheite stoben aus dem brennenden Scheiterhaufen, und verkohlende Buchseiten streckten sich gen Himmel. Einige der Umstehenden hatten die Flucht ergriffen, ein Diener Feuer gefangen. Er drehte sich schreiend wie ein verrückter Kreisel, um die Flammen auf seinem Kopf zu löschen.
    Leonoras Nägel gruben sich in Ferruccios Arm. »Was war das?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Ferruccio. »Ich glaube nicht, dass es sich um chinesisches Feuerwerk handelt. Das wäre sogar unserem Bruder zu teuer, so groß wie das Feuer ist. Wahrscheinlich war es nur ein Fass Maraschino-Likör, den die Dominikanermönche vor dem Zeitalter der Verbote brauten. Aber schau: Alle laufen davon, nur Savonarola hat sich keinen Fingerbreit vom Fleck bewegt – gerade so, als würde er sich tatsächlich von einem schrecklichen und rächenden Gott beschützt fühlen.«
    Savonarola schrie jetzt etwas, er war aber zu weit entfernt und das Prasseln des Feuers zu laut, als dass die beiden verstehen konnten, was er sagte. Wieder streckte er seine Arme gen Himmel, und sofort kehrte der Mob zum Scheiterhaufen zurück. Unwillig und wie bockende Esel zwar, doch die Menschen gehorchten und starrten folgsam auf die Flammen, die ihre Eitelkeiten und Sünden verbrannten.
    Savonarolas Körper zitterte in höchster Erregung; er roch Feuer und Angst. Florenz gehörte ihm: Genau das hatte er Lorenzo de’ Medici prophezeit, genauso wie seinen Tod, damals, als Lorenzo noch sein Prächtiger Herr war. Und nur Spott für ihn übrig gehabt hatte. Aber den Allmächtigen konnte man nicht verhöhnen und verspotten! In ihm hatte der Herr sich manifestiert, um seinem Willen Ausdruck zu geben! Die Schwingungen, die durch seinen ganzen Körper strömten, waren so gewaltig, dass der Mönch beinahe den Eindruck hatte, sich in der Luft halten zu können. Savonarola schaute auf seine Füße, um zu sehen, ob es wirklich der Wille des Herrn war, dass er wie die heilige Katharina von Siena vom Erdboden abhob. Aber seine Füße waren fest mit dem porphyrnen Boden der Kirchenvorhalle verbunden. Savonarola schämte sich seines sündigen Hochmuts – und doch war er seines Triumphes auf Erden gewiss. Auch wenn Rom, die läufige Hündin, die Selbstgeißelung verbot – für ihn war sie ein direkter Weg zum Heil. Und je größer die Sünden, je strenger die Verbote, je höher die Scheiterhaufen, desto stärker entflammte der Glaube. In Florenz und der ganzen Christengemeinde.
    Verzaubert starrte die Menge der Gläubigen auf das zerstörerische Feuer, als
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