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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Michael Peinkofer
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erwog er, umzukehren und auf Ballantynes Vorschlag mit der Kutsche zurückzukommen, aber dann entschied er sich anders. Gesenkten Hauptes und auf den Stock gestützt, machte er sich zu Fuß auf den Heimweg, die von Wind und Kälte leergefegte Straße hinab und dann nach rechts in Richtung Grassmarket.
    Anfangs erhellte noch Laternenschein seinen Weg, aber als er in eine Seitenstraße abbog, um zurück zur High Street zu gelangen, umfing ihn plötzlich Dunkelheit.
    Eine Reihe von Laternen war erloschen und hatte die Straße in düsterer Schwärze zurückgelassen, wodurch sich Sir Walter jedoch nicht abschrecken ließ.
    Mutig tauchte er in die teerige Schwärze.
    In diesem Moment fiel der Schuss.

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    2
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    New York
Am darauf folgenden Tag
    »Und wie geht es dir heute? Hast du gut geschlafen?«
    Quentin Hay saß an dem kleinen Tisch im Speiseraum. Neben einer Schüssel mit Porridge, den Quentin nach alter schottischer Tradition zubereitet hatte und von dem er ab und zu einen Löffel aß, hatte er ein Notizheft liegen, in das er eifrig kritzelte: Ideen für einen neuen Artikel, die er seinem Redakteur anbieten wollte.
    »Nicht wirklich.« Mary, seine Ehefrau, schüttelte den Kopf. »Warum hast du mich nicht geweckt?«
    »Ich wollte deinen Schlaf nicht stören«, erwiderte er, ohne von seiner Arbeit aufzublicken. Geoffrey Wanamaker, leitender Redakteur der New York Evening Post , war äußerst kritisch, was Themenvorschläge seiner Korrespondenten betraf. Wenn Quentin ihn überzeugen wollte, musste er dabei äußerst gezielt und überlegt vorgehen.
    »Lügner«, sagte sie leise. Es war kein Vorwurf, mehr eine Feststellung, und sie lachte milde dabei. Dennoch blickte Quentin auf und sah sie prüfend an.
    Sie stand auf der Schwelle zur Schlafkammer und trug den Morgenmantel aus grüner Seide, den er ihr zu ihrem zweiten Hochzeitstag geschenkt hatte. Unwillkürlich fühlte sich Quentin an ihre allererste Begegnung erinnert – damals hatte er auf der Schwelle gestanden und nicht damit aufhören können, auf dieses wunderbare Wesen zu starren. Obwohl nur drei Jahre vergangen waren, kam es ihm wie eine Ewigkeit vor, denn seither war viel geschehen. Gute Dinge. Und weniger gute …
    »Was willst du damit sagen?«, fragte er so sanft, wie er es vermochte.
    »Nichts«, beteuerte sie weiter lächelnd. Dann gab sie ihren Platz an der Tür auf und gesellte sich zu ihm, setzte sich auf den freien Stuhl am Tisch.
    »Hast du Hunger?«, fragte er, auf die Schüssel mit Porridge deutend. Es war das einzige Gericht, das er zubereiten konnte, entsprechend oft kam es auf den Tisch, zumindest in letzter Zeit.
    Sie schüttelte abermals den Kopf, worauf sich ihr Haarband löste. Das blondgelockte Haar, das ihr schmales, anmutiges Gesicht umrahmte, fiel offen auf ihre schmalen Schultern. Trotz allem, was geschehen war, sagte sich Quentin, war sie noch immer eine Schönheit, und er brauchte sie nur anzusehen, um zu wissen, warum er sich einst in sie verliebt hatte. Ihr zarter Wuchs, der kleine Mund, die keck nach oben geschwungene Nase, all das war genau wie damals. Das lebendige Leuchten jedoch, das ihre wasserblauen Augen einst erfüllt hatte, war erloschen, seit …
    »Ich hatte ihn wieder«, erklärte sie unvermittelt.
    »Was, Liebste?«
    »Den Traum«, erwiderte sie. Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, hatte etwas Herausforderndes, aber er beschloss, diesmal Ruhe zu bewahren.
    »Wollten wir das nicht vergessen?«, fragte er.
    »Wie kann ich das, wenn dieser Traum jede Nacht wiederkehrt?«
    »Immer derselbe Traum? Jede Nacht?« Quentin hob ungläubig die schmalen Brauen.
    »Das nicht«, räumte Mary ein, »aber sie ähneln sich. Und immer handeln sie von deinem Onkel.«
    »Mein Onkel also.« Quentin seufzte. »Und was will dieser Traum dir sagen?«
    »Das weiß ich nicht. Aber es ist eine Tatsache, dass wir lange nichts mehr von ihm gehört haben.«
    »Und? Sollten wir deshalb beunruhigt sein? Immerhin liegen ein paar Tausend Meilen Ozean zwischen uns und Schottland.«
    »Das weiß ich«, versicherte Mary, »aber …«
    Er legte den Stift zur Seite und ergriff ihre Hand, sah sie durchdringend an. »Wir wollten es vergessen, weißt du noch? Wir wollten alles hinter uns lassen, aus diesem Grund haben wir Schottland den Rücken gekehrt. Um ein neues Leben zu beginnen, in dem ich nicht Quentin Hay bin, der Neffe des berühmten Sir Walter Scott, und du nicht Mary of Egton, eine Tochter aus verarmtem englischem Adel.«
    »Das weiß
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