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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Michael Peinkofer
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unserer Absicht. Doch Sie sollten dem Wunsch unserer Mitglieder nach Anonymität mit Verständnis begegnen. Schließlich haben Sie bislang nichts getan, um ihr Vertrauen zu verdienen. Wir haben nicht um Ihren Besuch gebeten, Sir. Sie sind hier, weil Sie selbst den Wunsch dazu geäußert haben.«
    »Und weil Sie sich gewisse Vorteile davon versprechen«, erwiderte der Besucher, wobei er in das Rund der Zuhörer sprach, ohne zu wissen, wie groß es tatsächlich war.
    »Das will ich nicht leugnen«, versicherte der andere. »Wie steht es nun also? Wollen Sie den Plan, von dem Sie so überaus vielversprechende Andeutungen gemacht haben, nun etwas näher ausführen?«
    Der Besucher holte tief Luft. Auf diesen Augenblick hatte er lange gewartet, doch die unvorteilhafte Verhandlungsposition gefiel ihm nicht. »Sie erwarten, dass ich meine Pläne offenlege, ohne dass ich Gesichter sehe?«
    »In der Tat«, kam es zurück.
    »Ist Ihnen klar, wie viel ich dabei riskiere?«
    »Sie eingebildeter junger Narr!«, zischte daraufhin eine andere Stimme mit ungewöhnlicher Schärfe. »Was immer auch für Sie auf dem Spiel stehen mag – für mich geht es dabei um ungleich mehr. Also fangen Sie schon an, uns Ihren Plan auseinanderzusetzen, oder scheren Sie sich zum Teufel!«
    Der Besucher widersprach nicht mehr.
    Zum einen beeindruckte ihn die eiserne Entschlossenheit in der Stimme seines gesichtslosen Gegenübers. Zum anderen verunsicherte ihn die Tatsache, dass es kein Mann war, der diese Worte gesprochen hatte, sondern eine Frau. Rache schien fürwahr eine weibliche Domäne zu sein …
    »Wie ich hörte«, begann er deshalb, »verfolgen Sie gewisse … Absichten. Absichten, die zum einen wirtschaftlichen Interessen dienen, zum anderen aber auch sehr persönlichen.«
    »Und?«
    »Erlauben Sie mir, der Schlüssel zu Ihrer Rache zu sein«, erbot sich der Besucher. »Sie geben mir, wonach es mich verlangt, und ich verschaffe Ihnen, wonach es Sie verlangt.«
    »Und das wäre?«, fragte die Frau ohne erkennbare Regung.
    »Die vollständige und unwiderrufliche Vernichtung von Sir Walter Scott«, entgegnete der Besucher.
    Und das Schweigen, das ihm entgegenschlug, verriet ihm, dass er gewonnen hatte.



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    1
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    Edinburgh
Anfang Dezember 1825
    Schnee.
    Lautlos fielen die Flocken aus dem dunklen Himmel: filigrane Gebilde, die flirrend am Fenster vorbeiglitten und im Widerschein des Kaminfeuers glitzerten, ehe sie sich wieder in der Dunkelheit verloren und zu Boden sanken. Die Laternen in den Straßen und Gassen führten einen vergeblichen Kampf gegen das dichte Treiben, das schon weite Teile der Stadt mit einer weißen Schicht überzogen hatte. Bereits nach wenigen Yards verblasste ihr Schein in der Kälte und in einer Dunkelheit, die so undurchdringlich und ungewiss war wie die Zukunft …
    »In Gedanken, alter Freund?«
    Erst die Stimme seines langjährigen Geschäftspartners und Weggefährten James Ballantyne machte Sir Walter Scott klar, wie sehr er in seinen Grübeleien versunken gewesen war. Ein wenig beschämt wandte er sich vom Fenster ab, durch das er geistesabwesend gestarrt hatte. Das Glas Scotch, das Ballantyne ihm eingeschenkt hatte, hielt er noch immer in der Hand, ohne auch nur einen Schluck daraus getrunken zu haben.
    »Verzeih, mein guter James«, bat er.
    Die schmalen, spitznasigen Züge Ballantynes, der in einem der beiden Ohrensessel vor dem Kaminfeuer saß, zerknitterten sich zu einem nachsichtigen Lächeln. »Nicht doch«, wehrte er ab. »Gehört es nicht zum ABC eines Schriftstellers, das Hier und Jetzt hin und wieder zu verlassen und in Tagträumen zu versinken? Ich wäre weiß Gott ein schlechter Verleger, wenn ich dafür kein Verständnis aufbringen würde.«
    Sir Walter erwiderte das Lächeln, wenn auch ein wenig gequält. Es stimmte ja, er war Schriftsteller – auch wenn er die Bezeichnung Romancier bevorzugte –, und das nicht unbeträchtliche Vermögen, das ihm und seiner Familie nicht nur ein höchst komfortables Leben, sondern auch den Kauf seines Landsitzes Abbotsford ermöglicht hatte, hatte er nicht durch seine juristische Tätigkeit erworben, sondern durch den ungeheuren Erfolg, den seine schriftstellerischen Werke zu verbuchen hatten. Allein sein vor zwei Jahren erschienener Roman »Quentin Durward«, zu dem ihn nicht zuletzt reale Ereignisse inspiriert hatten 1 , hatte sich tausendfach verkauft. Gleichwohl schämte Sir Walter sich ein wenig für seine schriftstellerische Tätigkeit, für die
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