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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Michael Peinkofer
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noch nicht einmal ein Aufatmen. Sein einziges Ansinnen bestand darin, die geheime Ladung loszuwerden und dann so rasch wie möglich auf die offene See zurückzukehren.
    Er wies Luriel an, das Beiboot klarzumachen und die Ladung auf Deck holen zu lassen. Die Matrosen der Espérance , von denen einige schon seit Jahren unter Ferrands Kommando dienten, waren kräftige Burschen. Dennoch waren vier von ihnen nötig, um die mit Wachs versiegelte und mit eisernen Schlössern gesicherte Truhe aus dem Laderaum zu hieven und im Beiboot zu verstauen. Zwei Marinesoldaten, wie Ferrand und der Rest der Mannschaft in zivile Kleider gehüllt, stiegen in das Boot, um die Ladung zu bewachen. Als Ferrand ihnen folgen wollte, hielt Luriel ihn zurück.
    » Mon capitaine , sollte nicht lieber ich gehen?«
    »Nein.« Ferrand schüttelte den Kopf. »Der Befehl war in dieser Hinsicht eindeutig. Ich selbst soll dafür Sorge tragen, dass die Ladung sicher übergeben wird. Sollten sich die Dinge anders entwickeln als vorgesehen, wissen Sie, was zu tun ist.«
    »Aber …« Ferrand sah, wie ein dicker Kloß Luriels blassen Hals hinauf- und wieder hinabwanderte, während der junge Offizier nach passenden Worten rang. »Ich weiß nicht, ob …«
    Die vielen Jahre auf See hatten Ferrand zu einem guten Menschenkenner gemacht. Er wusste, wann seine Leute Zuspruch brauchten, wann Ermahnung und wann eine Mischung aus beidem. Kurzerhand legte er Luriel die rechte Hand auf die Schulter und sah ihm fest in die Augen. »Tristan«, sprach er ihm leise zu, »dies ist nicht der Augenblick für Selbstzweifel. Sollte ich nicht zurückkehren, werden Sie das Schiff wenden und unverzüglich nach Brest zurücksegeln, haben Sie verstanden?«
    Luriel starrte ihn an.
    Und nickte schließlich.
    »Ich zähle auf Sie, Tristan. Haben Sie verstanden?«
    Luriel nickte abermals.
    »Oui, capitaine.«
    Ferrand nickte, rüttelte in einer freundschaftlichen, fast väterlichen Geste an der Schulter des Offiziers. Dann wandte er sich ab und bestieg das Beiboot, das ausgebracht und abgefiert wurde. Sechs Matrosen kletterten an den Strickleitern herab und bemannten die Riemen, und schon kurz darauf schwankte das Beiboot von der Dünung getragen der Küste entgegen.
    Im selben Maß, wie der Schneefall zunahm, lichtete sich der Nebel, sodass in dem spärlichen Mondlicht, das durch die Wolkendecke drang, die Küstenlinie immer deutlicher sichtbar wurde: steil aufragende, schroffe Felsen, so kalt und ungastlich wie das Land, das sich dahinter befand. Der Gedanke, dass er sich freiwillig für diese Mission gemeldet hatte, befremdete Ferrand plötzlich. Obschon er bereits in den überseeischen Kolonien gedient hatte und viele Male in Ostindien gewesen war, hatte er plötzlich das Gefühl, noch nie zuvor in seinem Leben so weit von zu Hause entfernt gewesen zu sein.
    Es war eine unsinnige, überflüssige Empfindung, doch sie war so stark, dass Ferrand seine ganze Disziplin aufwenden musste, um sich ihrer zu erwehren. Er sah nach der Truhe, die im Heck des Bootes verzurrt worden war. Man hatte ihm nicht gesagt, was sich darin befand, lediglich, dass der Inhalt dieser Truhe den unseligen Krieg, der sich an der österreichischen Thronfolge entzündet hatte und seit nunmehr fünf Jahren tobte, zu beenden vermochte, zum Ruhme Frankreichs und zum Verderben Englands und Österreichs. Diese Aussicht hatte Ferrand dazu bewogen, sein Schiff in den Dienst dieser geheimen Mission zu stellen, und sie war es auch, an die er sich in diesem Augenblick klammerte, als Sturmböen eisig über die See fegten und das Boot sich bald aufrichtete, bald in tiefe Wellentäler stürzte.
    Die Küste war jetzt nur noch einen Steinwurf entfernt. Ein Strand aus grobem Kies zeichnete sich ab, darüber schroffer Fels, in dem unvermittelt wieder ein Licht aufglomm.
    Drei lange Signale und drei kurze.
    Ferrand griff seinerseits nach der Laterne und erwiderte das Signal in umgekehrter Reihenfolge.
    Das verabredete Zeichen.
    »Los, Leute«, zischte er daraufhin seinen Männern zu. »Legt euch in die Riemen. Schon bei Tagesanbruch sind wir auf dem Weg nach Hause.«
    Diese Aussicht schien die Männer zu beflügeln. Ohnehin hatte die Überfahrt unter keinem guten Stern gestanden. Unruhige See, ungünstige Winde, eine britische Fregatte und schließlich der dichte Nebel hatten dafür gesorgt, dass die Espérance Umwege hatte nehmen müssen und langsamer vorangekommen war, als die Dringlichkeit der Mission es erforderte. Dass es
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