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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Michael Peinkofer
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ich«, versicherte sie und wich seinem Blick aus. »Aber was, wenn die Vergangenheit uns nicht loslässt? Wenn die Träume zurückkehren? Du weißt, mit ihnen hat alles angefangen.«
    Quentin nickte. Natürlich wusste er das.
    Marys mysteriöse Träume waren es gewesen, die Sir Walter und ihn auf die Spur der Runenbruderschaft geführt hatten, jener Männer, die der ruchlose Malcolm of Ruthven um sich geschart hatte, mit dem Ziel, eine blutige Verschwörung gegen die britische Krone anzuführen. Marys Hilfe war es zu verdanken gewesen, dass seine Pläne hatten vereitelt werden können. Dabei waren Quentin und Mary sich nähergekommen und hatten sich ineinander verliebt.
    »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte er dennoch. »Du musst es endlich hinter dir lassen, darfst dich nicht an die Vergangenheit klammern!«
    »Das tue ich nicht«, versicherte sie mit bebender Stimme, und ihnen beiden war klar, dass sie in Wirklichkeit nicht mehr über Sir Walter und die Ereignisse in Schottland sprachen, sondern über das, was danach geschehen war.
    »Mary, ich bitte dich!« Quentins Stimme nahm einen beschwörenden, beinahe flehenden Tonfall an. »Du musst dich davon lösen! Du musst aufhören, dich an Dinge zu klammern, die nicht länger sind. Dann hat die Vergangenheit keine Macht mehr über dich, und dann werden auch diese Träume aufhören, verstehst du?«
    Mary blickte ihn wortlos an.
    Ihre Kieferknochen mahlten, und einen Augenblick lang schien es, als wollten ihre Augen feucht werden. Aber sie beherrschte sich, und schließlich nickte sie.
    »Natürlich«, sagte sie leise. »Du hast recht.«
    »So ist es schon besser.« Er lächelte und strich ihr zärtlich über die Hand, dann erhob er sich und küsste sie zum Abschied auf die Stirn. »Ich muss jetzt gehen. Mr. Wanamaker duldet keine Verspätung.«
    »Ich weiß.« Sie rang sich ein Lächeln ab.
    »Bis heute Abend.«
    »Bis heute Abend.«
    Er nickte und ging hinaus, stieg die schmale Treppe zur Garderobe des kleinen Hauses hinab, das Mary und er bewohnten. Es befand sich unweit des Broad Way, im pulsierenden Herzen der Stadt, ein gutes Stück entfernt von den weiter nördlich gelegenen Vierteln, die in Sumpf und Laster versanken. Eilig schlüpfte Quentin in seinen Mantel und warf sich den Schal über, um sich vor der winterlichen Kälte zu schützen, die die Küste derzeit in den Klauen hielt.
    Er wollte das Haus gerade verlassen, als er das leise, verhaltene Schluchzen hörte, das aus dem ersten Stock drang.
    Mary …
    Quentin stieß eine lautlose Verwünschung aus. Es brach ihm das Herz, sie so zu erleben, von Trauer zerrissen, nur noch ein Schatten der lebensfrohen jungen Frau, die sie einst gewesen war. Einen Augenblick lang erwog er, wieder umzukehren, um sie zu trösten, aber ihm war klar, dass es zwecklos sein würde. Nichts, was er sagen oder tun konnte, würde ihren Schmerz lindern, das hatte sie ihm wiederholt klargemacht.
    In einem jähen Entschluss öffnete er die Tür und ging hinaus.

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    3
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    Florenz
Mai 1784
    Die große Stadt.
    Serena hatte von ihr gehört. Unzählige Male war ihr geschildert worden, wie riesig die Zahl der Häuser sei, die sich zu beiden Seiten des Flusses erstreckten; wie strahlend weiß die Mauern der Palazzi und wie himmelhoch der bunt gebänderte Turm der Kathedrale; und wie sich die Menschen auf den Straßen und Plätzen drängten, ungezählt und lärmend, immerzu beschäftigt und scheinbar auf der Suche. Doch als sie tatsächlich über die große alte Brücke schritt, die sich von einem Ufer des Arno zum anderen spannte, hatte sie das Gefühl, eine unbekannte, völlig neue Welt zu betreten.
    Nichts hier erinnerte an den Schmutz, aus dem sie kam, nichts an das Elend und die Armut. Im Gegenteil, Reichtum und Überfluss schienen aus allen Poren dieser Stadt zu quellen. Die Goldschmiede, die in den Hütten und Häusern zu beiden Seiten der Brücke ihre Werkstätten und Läden hatten, legten davon ein beredtes Zeugnis ab. Allenthalben sah Serena in den Schaukästen Silber und Gold um die Wette funkeln, brach sich das Sonnenlicht in bunten Gemmen. Die Damen und hohen Herren, die an den Läden vorübergingen, in die hinein wild gestikulierende Händler sie zu komplimentieren suchten, kamen ihr gar nicht wie wirkliche Menschen vor. Vielmehr erschienen sie ihr wie Wesen aus einer höheren und besseren Welt, so anmutig wirkten die Damen in ihren weiten Kleidern und mit den kleinen Schirmen, unter denen sie Zuflucht vor der
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