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Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis
Autoren: Kathryn Lasky
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Zeit. Schließlich erwiderte er: „Du hast hier schon einiges gelernt, Gränk, aber die Eulenglut lenkt dich ab. Wenn ich Flügel hätte, wäre ich schon viel weiter als du. Dann würde ich mich nämlich mal mit den Luftströmungen über den Vulkankratern beschäftigen. Große Hitze erzeugt Luftbrücken, Luftberge, Luftgänge und so weiter. Wenn du das begriffen hast, mein Freund, wird es dir auch gelingen, ein Glutstück zu fangen.“
    Er hatte leider nur zu Recht. Ich hatte mich ablenken lassen.
    Fengo ließ den Schwanz sinken und legte das Nackenfell wieder glatt an. „Hör zu“, sagte er freundlich, „in deiner Heimat, dem Land der Nordwasser, bist du ein Meisterflieger. Eure eisigen Fallwinde sind unberechenbar, aber du hast noch jeden bezwungen. Das hier aber ist ein Land des Feuers und der Hitze. Diesen Herausforderungen musst du dich jetzt stellen.“
    Ich begann noch in derselben Nacht mit meinen Untersuchungen. Die heißen Luftmassen über einem Vulkankrater haben verschiedene Schichten, so wie ein Felsen aus verschiedenen Gesteinsschichten besteht. Jede Schicht hat ihre besonderen Eigenschaften. Die Hitzesäulen über einem Krater türmen gewaltige Luftkissen auf. Das ist die oberste Schicht. Darunter liegt der Bereich, in dem die meisten emporgeschleuderten Glutstücke umherfliegen.
    Abgesehen von den Hitzesäulen gibt es noch Hitzewirbel oder „Hitzeorkane“, wie ich sie nannte. Sie führen nicht ganz so viel Glut mit sich. Ich beschäftigte mich mit dem Aufbau der Flammen, die aus einem Vulkankrater schlagen, und mit dem Luftdruck, der sie umgibt. Ich lernte die kalten Stellen zu erkennen, durch die man hindurchfliegen und die schwerfälligeren Glutstücke auffangen kann.
    Nacht für Nacht betrieb ich meine Forschungen, einen ganzen Mondzyklus lang. Eines Nachts – der Morgen dämmerte bereits – flog ich in der untersten Schicht eines Luftkissens auf der Stelle. Ich beobachtete die Glutfontäne an der Spitze der Hitzesäule. Es waren viel zu viele Glutstücke, um sie alle aufzufangen. Ich musste mich auf ein einziges konzentrieren.
    Plötzlich durchströmte mich Selbstvertrauen. Mir war, als würde sich unter mir ein Gang auftun, an dessen Ende das Glutstück auf mich wartete. Ich ging in den Sturzflug. Ich ließ den Schnabel zuschnappen.
    „Rums!“, hörte ich Fengo heulen. Der Wolf machte einen Freudensprung. Sein silbergrauer Pelz leuchtete rötlich im Widerschein der Flammen. „Rums!“, jubelte er noch einmal.
    Ich landete neben ihm. „Was meinst du mit ‚Rums ‘ ?“
    „Keine Ahnung. Das Wort ist mir einfach in den Sinn gekommen.“ Wenn man vor Freude außer sich ist, entfährt einem oft ein spontaner Ausruf. Wir lachten beide, und von jener Nacht an nannten wir die im Flug aufgefangenen Glutstücke „Rumser“.
    Ich werde nie vergessen, wie Fengo reagierte, als ich meinen Schnabel öffnete – der wundersamerweise nicht versengt war – und ihm das Glutstück vor die Pfoten legte. Von der aufsteigenden Hitze flimmerte die Luft. Erst starrte Fengo nur reglos auf meinen Fang, dann machte er wieder einen Satz und stimmte ein wildes Geheul an. Immer höhere Luftsprünge vollführte er und rief mir zu: „Jetzt kann dich nichts mehr aufhalten, Gränk! Jetzt bist du ein echter Glutsammler!“
    Der neue Ausdruck leuchtete mir sofort ein. Ja, ich war ein Glutsammler. Der erste Glutsammler, den es je gegeben hat.
    Von da an konnten wir unsere Forschungen noch vertiefen. Ich lernte, Flugbahnen und Fallgeschwindigkeit der Glut zu berechnen, und sorgte für stetigen Nachschub. Wir experimentierten mit verschiedenen Feuern und mit metallhaltigem Gestein.
    Eines Nachts hatte ich eine Wühlmaus gefangen. Aus Jux kamen wir auf die Idee, meine Beute zu braten. Das versengte Fell schmeckte schauderhaft, aber das Fleisch wurde schön würzig. Der nächsten Maus, die ich fing, zog Fengo vorher das Fell ab. Dieser Braten war ein echter Genuss. Wir waren auf den Geschmack gekommen und legten alles mögliche Fressbare ins Feuer. Allerdings wurde das Fleisch beim Braten ziemlich trocken. Nach einer Weile vermisste ich den Geschmack von frischem Blut.
    Die spannendsten Experimente machten wir mit Sand. Der Sand im Vulkankreis war kein gewöhnlicher Sand. Wenn man ihn stark erhitzte, verschmolzen die Körner miteinander. Wenn das Ganze dann wieder erkaltete, erhielt man eine Masse, die mich an das „Issen glossen“, das durchsichtige Eis meiner Heimat erinnerte. In Anlehnung daran nannten wir den
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