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Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis
Autoren: Kathryn Lasky
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schwer atmend.
    „He, Gränk, du hast eine Nachricht von deinem König!“, rief Fengo, denn ich saß wie immer abwesend vor der Glut und starrte hinein.
    Ich drehte mich nicht einmal um.
    „Was ist mit ihm los?“, fragte Joss verwundert.
    Fengo gab ihm keine Antwort, sondern stellte sich einfach vor mich und versperrte mir den Blick auf die Glut. Er sträubte drohend das Nackenfell und verpasste mir einen Kopfstoß. Er demütigte mich, den Berater des Königs, vor den Augen eines einfachen Boten. Doch nicht einmal das konnte mich aufrütteln.
    Joss überreichte mir ein beschriebenes Stück Lemminghaut. Weil damals nur wenige Eulen lesen konnten, bestand keine große Gefahr, dass H’raths Botschaft an den Falschen geriet. Nichtsdestotrotz forderte er mich im ersten Satz auf, die Botschaft nach dem Lesen sofort in das Feuer zu werfen, in dem ich meine Experimente durchführte. Weiter schrieb er: „Ich bin in großer Sorge. Ich fürchte, dass sich eine Verschwörung gegen mich zusammenbraut. Meine Eulen sind nicht von der Eisernte am Reißzahnfjord zurückgekehrt. Ich weiß nicht mehr, wem ich noch trauen kann. Ich habe einige meiner ältesten Verbündeten im Verdacht, sich mit den Hägsdämonen gegen mich verschworen zu haben. Die Waffenstillstände mit den Nachbarclans drohen zu brechen. Alle gieren nach Hägsmagie.“
    Ich hätte beinahe laut aufgelacht. Die magischen Kräfte der Dämonen konnten sich niemals mit meinen durch die Glut gereiften Fähigkeiten messen! Mir kam nicht in den Sinn, dass ich meine Fähigkeiten gar nicht nutzte, sondern nachtein, nachtaus vor der Glut hockte und immer schrecklichere Bilder an mir vorüberziehen ließ.
    Ich las weiter. „Siv hat ein Ei gelegt.“
    Zum ersten Mal seit langer Zeit regte sich mein Magen schwach.
    „Bitte versprich mir, mein lieber Gränk, dass du dich um meine Familie kümmerst, falls ich dazu nicht mehr in der Lage sein sollte. Beschütze Siv und ihr Ei, beziehungsweise unser Küken. Und ich bitte dich heimzukehren. Sofort. Du wirst hier dringend gebraucht. Wenn mir etwas zustößt …“ Damit brach die Botschaft ab. Anscheinend hatte H’rath nicht weiterschreiben können. Hatte ich nicht vor ein paar Stunden im Feuer gesehen, wie die Dämonen in seine Eisfestung eindrangen und ein Blutbad anrichteten?
    Wie befohlen, warf ich die Lemminghaut ins Feuer. Während sie verbrannte, schaute ich in die Flammen. Und tatsächlich: Ich erblickte eine erbitterte Schlacht. H’raths Truppen waren in arger Bedrängnis. Ich gähnte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Joss sich in unserem Lager umschaute. Überall lagen meine ausgewürgten Gewölle herum.
    Ich blinzelte träge und sagte: „Was in der Botschaft stand, habe ich schon gewusst.“
    „Wie bitte? Warum bist du dann nicht längst heimgeflogen?“
    „Keine Ahnung.“
    Fengo mischte sich ein. „Wirf die Glut wieder in den Vulkan, Gränk. Du bist ihr nicht gewachsen. Du hast einen starken Charakter und vielleicht bist du sogar ein Zauberer, aber du bist nicht stark genug, um der Glut standzuhalten.“
    „Was soll das denn heißen?“
    „Dass die Glut dir deine Kräfte raubt. Es besteht die Gefahr, dass ein Feind oder ein Hägsdämon sie an sich reißt.“
    „Aber irgendwelche Feinde oder Dämonen könnten der Glut doch sicher auch nicht standhalten.“
    „Sie könnten sie trotzdem für ihre Zwecke einsetzen. Außerdem würde die Glut die Hägsmagie der Dämonen noch stärken. Wenn aber eine Eule von überragender Charakterstärke die Glut in ihren Besitz bringt, könnte das für die ganze Eulenheit ein großer Segen sein. Ich will dich nicht kränken, mein Freund, aber diese Eule bist nicht du.“
    „Wer bin ich dann?“, sagte ich leise. Ich schaute mich in dem verdreckten Lager um. Mir wurde klar, wie weit ich mich von meinem früheren Selbst entfernt hatte.
    „Das wirst du erst herausfinden, wenn du die Glut zurückgebracht hast.“
    „Wohin soll ich sie denn zurückbringen?“
    „In den Vulkan. Wirf sie wieder in den Krater. Dort soll sie ruhen, bis irgendwann eine Eule schlüpft, die ihr gewachsen ist.“
    Ich folgte seinem Rat. Als die Glut in der kochenden Lava versank, wich auch die verhängnisvolle Benommenheit von mir. Mein Magen wurde plötzlich weit, und ich merkte, wie verkrampft er die ganze Zeit gewesen war. Die Lava brodelte heftiger und der Vulkan brach aus. Die Flammen zeigten mir grauenvolle Bilder. Da endlich begriff ich, dass ich sofort nach N’yrthgar zurückfliegen
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