Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis
Autoren: Kathryn Lasky
Vom Netzwerk:
kalten Luftloch, das meinem Abwärtsflug Schwung verleihen sollte. Als ich eines entdeckt hatte, legte ich die Flügel an und stürzte mich in den Krater. Die sengende Hitze machte mir nichts aus.
    Im nächsten Augenblick ließ ich mich von einer thermischen Säule wieder aufwärtstragen und landete in der Sandgrube am Fuß des Kraters. Ich war erschöpft, aber überglücklich. Ich hielt das ersehnte Glutstück in den Zehen. Seine Kraft schien durch mich hindurchzuströmen. Danach weiß ich nichts mehr. Vielleicht schlief ich ein oder verlor kurz das Bewusstsein. Als ich die Augen wieder aufschlug, stand Fengo vor mir.
    „Du hast es also geschafft“, sagte er. Seltsamerweise klang er nicht erfreut, sondern eher bedrückt. Ich fragte nicht nach dem Grund. Ich wollte mir meinen überwältigenden Erfolg nicht verderben lassen. Ich fühlte mich, als könnte ich von nun an alles erreichen, was ich wollte.
    „Sieh nur“, sagte ich, „obwohl sie im Sand liegt, glüht sie noch genauso heiß wie vorhin in der Lava.“
    „Ja, das ist so ihre Art“, erwiderte Fengo knapp.
    Ich konnte den Blick nicht von der Glut wenden. Sie schlug mich in ihren Bann. Ihr Zauber ergriff von meinem Magen Besitz.
    Danach war nichts mehr wie vorher. Fengo und ich experimentierten zwar weiter mit Feuer und Gestein, Feuer und Sand und sogar mit Feuer und Wasser, aber wir kamen nicht richtig voran. Ich war nicht mehr mit dem Magen bei der Sache.
    Eine eigentümliche Benommenheit hatte sich meiner bemächtigt. Die Glut hatte mich zu einem noch fähigeren Feuerseher gemacht, aber ich ließ meinen Visionen keine Taten folgen. Was ich sah, war mir aus irgendeinem Grund gleichgültig.
    Wie lange die Vision dauerte, die mir die Glut von Hoole offenbarte, kann ich nicht sagen, denn sie entführte mich abermals in eine zeitlose Welt.
    Ich sah, wie einer von König H’raths Getreuen, ein Höhlenkauz namens H’ruuth, bei der Eisernte plötzlich flügelstarr wurde und in die Tiefe stürzte. Ich sah, wie ein Hägsdämon ihn enthauptete und den abgetrennten Kopf auf eine gebogene Sense spießte. Schaurig kreischend entschwand das Ungeheuer mit seiner Trophäe in der Nacht. Und H’ruuth war nicht der Einzige, der den Dämonen zum Opfer fiel.
    Was hatte das zu bedeuten? Ich hatte angenommen, die Dämonen hätten sich zurückgezogen oder Fürst Arrin hätte sie zumindest aus seinem Revier vertrieben.
    Dann zeigte mir die Vision den Uhu Pliek, einen langjährigen Feind von König H’rath. Pliek hatte sich mit den Hägsdämonen verbündet. Es hieß sogar, er habe sich eine Dämonin namens Ygryk zur Gefährtin genommen. Ich sah, wie Pliek und Ygryk sich Fürst Arrins Truppen anschlossen.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Arrin König H’raths Eulen bei der Eisernte überfallen ließ. Ich hatte mich doch mit ihm über die Eisrechte geeinigt! War das etwa nur eine List gewesen, damit er König H’raths Getreue in sein Herrschaftsgebiet locken und hinterhältig abschlachten lassen konnte?
    Doch auch dieser ungeheuerliche Gedanke ließ mich kalt. Mein Magen geriet nicht in Aufruhr. Auch nicht, als ich erblickte, wie sich das mit Söldnern verstärkte Heer des Fürsten unter der Leitung von Plieks Offizieren am nördlichen Ende des Reißzahnfjords sammelte. Ich sah, wie Arrin persönlich Dämonen zum H’rathgar-Gletscher schickte. Er plante offenkundig einen Großangriff auf König H’raths Reich.
    Der Fürst war eindeutig ein Verräter – und trotzdem unternahm ich nichts. Ich hockte vor den Versuchsfeuern, die Fengo und ich entfachten, oder ich blickte in die Glut von Hoole. Zu etwas anderem konnte ich mich nicht aufraffen. Mir war zwar undeutlich bewusst, dass meine beiden besten Freunde, König H’rath und Königin Siv, in höchster Gefahr schwebten, aber ich tat nichts, um sie zu warnen.
    Meine Untätigkeit dauerte Nacht um Nacht an, Mondzyklus um Mondzyklus. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Sogar die Freundschaft mit Fengo war mir nicht mehr wichtig. Vielleicht hatte aber auch er allmählich genug von mir. Als ich wieder einmal keine Anstalten machte, die Wirkung des Feuers auf eine neue Gesteinssorte zu untersuchen, knurrte er mich an. „Na schön, dann glotzt du eben weiter in die Glut.“ Er sagte nie „ deine Glut“, sondern immer nur „ die Glut“. Das hätte mir zu denken geben sollen.
    Eines Nachts traf Joss mit einer Botschaft aus N’yrthgar ein. Er hatte Gegenwind gehabt und sein Gefieder war ganz zerzaust. Er landete
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher