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Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis
Autoren: Kathryn Lasky
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weil die sogenannte „Lange Kälte“ die Wölfe aus ihrem ursprünglichen Revier vertrieben hatte. Fengo war bereits in den Hinterlanden gewesen. Er kannte die Gegend, aber vor allem kannte er die Vulkane. Es gab insgesamt fünf dieser Feuer speienden Berge. Sie standen in einem Kreis, den man später den „Heiligen Kreis“ nannte. Fengo wusste, wie sich jeder einzelne Vulkan verhielt, in welchen Abständen er ausbrach und was für eine Art Glut er ausspie.
    Bei unserem ersten Zusammentreffen saß Fengo auf einem hohen Felsen. Seine unglaublich grünen Augen waren auf einen Vulkan im nördlichen Teil des Kreises gerichtet. Er begrüßte mich nicht, machte aber auch keine Anstalten, mich zu verjagen. Er machte mir noch nicht einmal klar, dass er ein Wolf von höchstem Rang war, dem man sich unterwürfig zu nähern hatte. Das überraschte mich. Bei meinen Begegnungen mit anderen Wölfen hatte ich festgestellt, dass sie großen Wert auf derlei Förmlichkeiten legten. Fengo wandte nicht einmal den Kopf, als ich mich in einigem Abstand von ihm niederließ. Doch mit einem Mal sprach er mich an.
    „Siehst du den Vulkan vor uns, der in die Großen Reißzähne hineinragt?“ Er deutete mit der Schnauze auf einen Berg, dessen Gipfel sich zwischen den untersten Sternen des Sternbildes erhob. In N’yrthgar trug es den Namen: „Die Goldenen Krallen“.
    „Ja, den sehe ich.“
    „Wenn der letzte Stern am Horizont erscheint, wird der Vulkan ausbrechen.“
    Er behielt Recht. Ich staunte.
    „Woher hast du das gewusst?“
    „Ich weiß es eben.“
    Jetzt endlich wandte er den Kopf und schaute mich an. Die Augenfarbe der Urzeitwölfe überwältigte mich jedes Mal. Sie einfach nur „Grün“ zu nennen, wäre untertrieben gewesen. Fengos Augen loderten wie grünes Feuer. Als unsere Blicke sich trafen, geschah etwas zwischen uns. Als Eule und Wolf gehörten wir ganz verschiedenen Tierarten an, und doch spürte ich, dass wir etwas gemeinsam hatten. Wir besaßen beide die Gabe der Vision. In Fengos Augen spiegelte sich der ausbrechende Vulkan. Doch als ich länger in seine Augen schaute, entdeckte ich noch etwas anderes. In dem grünen Feuer leuchtete etwas Rotes. Etwas Rotes mit einer blauen Mitte, die von strahlendem Grün gesäumt war. Es war aber nicht das Grün von Fengos Augen.
    „Du siehst es, nicht wahr?“, fragte Fengo.
    „Ja, aber was ist das?“
    „Ein Stück Glut.“
    In Fengos Augen erhaschte ich einen ersten Blick auf das sagenumwobene Glutstück, das später den Beinamen „Die Glut von Hoole“ bekam. Ich spürte sofort, dass diese Glut übernatürliche Kräfte besaß. Wenn sie an den Falschen geriet, konnte das furchtbare Folgen haben. Sie konnte aber auch großen Segen über die Welt bringen.
    „Du bist hergekommen, weil du dich für Feuer interessierst, nicht wahr?“, wollte Fengo wissen.
    Ich nickte. Diesmal fragte ich nicht, woher er das wusste. Dieser Wolf war wie ich ein Flammenseher. Da er in einem Land lebte, in dem das Feuer nie erlosch, hatte er mir vieles voraus.
    „Ich kann dir helfen“, fuhr er fort. „Ich weiß längst nicht alles, aber einiges könnte ich dir beibringen. Doch schon bald wirst du mehr wissen, als ich dich lehren kann und als ich selbst je wissen werde.“
    Was sollte das nun wieder heißen? „Wieso?“
    „Weil du fliegen kannst“, antwortete er knapp.
    „Ja und?“
    „Du kannst von oben ins Herz der Vulkane blicken. Wenn sie ausbrechen, kannst du im Flug die heißeste Glut auffangen.“
    „Ich soll Glutstücke im Flug fangen?“
    „Ja. Dann kannst du selbst Feuer machen und erforschen, wie man die Flammen zähmt und nutzt. Dabei kann ich dir dann auch helfen. Ich beschäftige mich schon länger mit der Wirkung des Feuers auf verschiedene Materialien.“
    „Verbrennt das Feuer denn nicht alles, was es erfasst?“
    „Nicht unbedingt. Manchmal verändert sich ein Material auch nur.“
    Das fand ich natürlich äußerst spannend. Fengo sprach weiter: „Vielleicht findest du ja sogar eines Tages heraus, wo die Glut verborgen liegt.“
    „Sprichst du von der Wolfsglut?“ Ich meinte die Glut, die ich in seinen Augen gesehen hatte.
    „Das ist keine Wolfsglut, sondern eine Eulenglut“, berichtigte er mich. „Es ist die Glut von Hoole.“
    „Das kann nicht sein!“, entfuhr es mir.
    „Warum nicht?“
    „Weil Hoole der Stammvater aller Eulen war. So ist es überliefert. Als noch alle Vögel gleich waren, erhielt das allererste richtige Eulenküken, das aus dem Ei
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