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Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Titel: Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
Autoren: Douglass Sara
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über den Gorkenpaß und dann
nördlich, immer weiter nach Norden bis zu Gorgraels
Eisfeste. Die Reise würde hart werden, vielleicht Monate
dauern, und nur seine Entschlossenheit und seine
Bindung an Gorgrael würden ihn nicht aufgeben lassen.
    Wann immer ein Pferd zusammengebrochen war, hatte
Timozel ein anderes gestohlen – kein schwieriges
Unterfangen in einem so dicht bevölkerten Gebiet wie
Avonstal. Aber in den trostlosen Landstrichen rund um
die Trübe Bucht oder im Gebirge selbst würde es ihm
kaum gelingen, ein Reittier zu finden.
    Er straffte die Schultern. Nun gut, dann würde er sich
eben zu Fuß aufmachen, und der Zerstörer – wenn er ihn
tatsächlich haben wollte – würde sich zweifellos um ihn
kümmern.
    Aber nicht heute. Noch nicht einmal seine Furcht vor
den von Gorgrael gesandten Alpträumen konnte Timozel
in dieser Nacht vom Schlafen abhalten. Er fröstelte und
zog seinen Mantel enger um sich. Der Jüngling rückte
auf dem unbequemen, kalten und feuchten Sand hin und
her. Irgendwo würde er genug Brennstoff für ein Feuer
finden müssen, damit er sich während der Nacht wärmen
konnte. Das Knurren seines Magens erinnerte ihn daran,
daß er seit zwei Tagen nichts mehr gegessen hatte, und er
fragte sich, wie er an einen Fisch aus den Tiefen der
Trüben Bucht kommen könne.
    Die Augen des Jünglings verengten sich; während er
über die Bucht starrte. Was war das dort draußen auf dem
Meer? Vielleicht hundert Schritt vom Strand entfernt
konnte Timozel einen kleinen dunklen Höcker erkennen,
der auf den Wellen schaukelte. Er hatte Geschichten über
die Wale gehört, die in den Gewässern des Andeismeers
lebten, und er fragte sich, ob dies wohl der Rücken eines
dieser Riesenmeeresbewohner sein mochte, der sich in
die Trübe Bucht verirrt hatte.
    Timozel blickte über das Wasser und blinzelte in der
salzigen Brise. Als das dunkle Gebilde näher kam, sprang
er auf.
»Was ist denn das?« keuchte er.
    Der Höcker hatte sich zu der Silhouette eines in einen
schweren Mantel gehüllten Mannes aufgelöst, der ein
winziges Boot ruderte. Er hielt geradewegs auf Timozel
zu.
    Des Jünglings dumpfer Kopfschmerz explodierte
urplötzlich in weiße Hitze. Er schrie auf und krümmte
sich vor Qual zusammen. Aber die Pein verebbte so
rasch, wie sie gekommen war, und nachdem er wieder
ruhig atmen konnte, richtete Timozel sich langsam auf.
Als er den Blick hob, sah er, daß der Mann und sein Boot
fast am Strand angelangt waren.
    Er erschauderte. Der Fremde war so fest in Mantel und
Kapuze eingehüllt, daß Timozel sein Gesicht nicht zu
erkennen vermochte, aber er wußte doch, daß dies kein
gewöhnlicher Fischer sein konnte. Am meisten verstörte
Timozel aber der Umstand, daß der Mann zwar allem
Anschein nach heftig ruderte, die Ruder jedoch beim
Eintauchen ins Wasser nicht das geringste Geräusch
erzeugten. Das Boot selbst glitt so gleichmäßig und ruhig
dahin, als triebe eine unter der Wasserfläche verborgene
kraftvolle Hand das Gefährt vor sich her.
    Magie! Timozel fuhr einen Schritt zurück, als der
Kahn sanft auf den Strand glitt.
Der Fremde holte die Ruder ein und erhob sich, wobei
er seinen Mantel um sich zog. Der Jüngling fühlte das
Lächeln auf dem Gesicht des Mannes eher, als daß er es
sehen konnte.
»Ah, Timozel«, sagte der Dunkle, und trotz seiner
Furcht entspannte sich der junge Mann ein wenig. Denn
wie konnte ein Fremder mit einer so sanften Stimme üble
Absichten hegen?
»Timozel, es ist schon spät, und ich wäre dankbar,
wenn Ihr mir einen warmen Platz für die Nacht neben
Eurem Lagerfeuer anbötet.«
Verwirrt warf der Jüngling einen Blick über seine
Schulter auf die Stelle, auf die der Mann wies. Ein helles,
freundliches Feuer prasselte in der Dunkelheit, ein großer
Hase brutzelte an einem Spieß, und aus einem Topf, der
am Rand der glimmenden Kohlen stand, stieg ein wenig
Dampf auf.
»Wie …« begann der Jüngling, und erneut befielen ihn
Furcht und Zweifel.
»Timozel«, erklärte der Mann, und seine Stimme
nahm ein noch tieferes Timbre an. »Ihr müßt das Feuer
vorhin entzündet haben. Aber da Ihr so erschöpft seid,
habt Ihr es wahrscheinlich vergessen.«
»Ja.« Der Jüngling ließ die Schultern sinken, so erleichtert fühlte er sich. »Ja, so muß es gewesen sein. Ihr
habt recht, meine Gedanken sind ganz verworren.«
Das von der Kapuze verborgene Lächeln des Dunklen
Mannes wurde breiter. Armer, von Zweifeln geplagter
Timozel.
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