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Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Titel: Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
Autoren: William R. Forstchen
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alte Sergeant schwieg jedoch mit grimmiger Miene, als wollte er ihm damit zeigen, dass jetzt nicht die Zeit zum Trauern war. Andrew kniete nieder, küsste seinen einzigen Bruder, stand blind vor Tränen wieder auf und kehrte in die Schlacht zurück.
    Letzten Endes musste die Division doch zurückweichen, und innerhalb von Minuten strömte die ganze Armee in den sicheren Schutz der Hügel auf der anderen Seite von Gettysburg.
    Aber Andrews Regiment flüchtete nicht. Wohl wissend, dass irgendjemand den Vormarsch der Rebellen bremsen musste, um den anderen Zeit zu erkaufen, verstand Andrew, was seine Pflicht war – notfalls seine Einheit zu opfern.
    Schritt für Schritt wich das 35. zurück, feuerte eine Salve ab, gab wieder ein Dutzend Schritte Boden auf, feuerte erneut. Die Rebellen strömten schon um die Flanken des Regiments, konnten aber nicht mit voller Kraft nachrücken, solange dieses Hemmnis nicht beseitigt war. Das 35. weigerte sich jedoch zusammenzubrechen.
    Am Stadtrand eingetroffen, blockierte es die Straßen, und die nötige Zeit wurde erkauft. Zwei Drittel seiner Männer hatte Andrew verloren, hatte diesen Preis für die kostbaren fünfzehn Minuten gezahlt, die vielleicht den Ausschlag für den letztendlichen Sieg gaben.
    Andrew hatte den Säbel gehoben, um den Befehl zu brüllen, dass die Männer sich zum Cemetery Hill zurückziehen sollten, als die blendende Feuerpeitsche über ihn hinwegzuckte. Das Letzte, woran er sich bei Gettysburg erinnerte, war das Versinken in großer, sanfter Dunkelheit, die er für die Ankunft des Todes hielt.
    Es war, als riefe jemand aus großer Ferne, und Andrew fuhr aus seinen Erinnerungen auf.
    »Haben Sie etwas gesagt, Sergeant?«
    »Wollte nur wissen, ob Ihnen die Wunde zu schaffen macht, Sir«, antwortete Hans und musterte ihn besorgt.
    »Nein, überhaupt nicht, Hans, überhaupt nicht.« Und noch während er diese Worte sprach, wurde ihm bewusst, dass er geistesabwesend den Stumpf des linken Arms mit der rechten Hand gerieben hatte.
    Hans betrachtete ihn einen Augenblick lang wie eine Mutter ihr verletztes Kind. Er knurrte etwas vor sich hin und spuckte einen Strom Tabaksaft aus. Sie ritten eine Zeit lang weiter, bis sie schließlich den Gipfel einer niedrigen Anhöhe erklommen hatten, wo das Militärdepot und der Ankerplatz von City Point vor ihnen ausgebreitet lagen.
    »Da liegt das Schiff, Sir«, sagte Hans und deutete die Straße entlang zu der Stelle, wo ein einzelner Transporter am Pier vertäut war.
    »Hab diese verdammten Dinger nie leiden können«, knurrte Hans. »Als ich ’44 herüberkam, glaubte ich schon, ich würde umkommen.«
    Während er diese Erinnerung äußerte, meldete sich der deutsche Akzent zurück.
    Andrew hielt das Ganze von jeher für paradox. Hans war aus der preußischen Armee desertiert, um der Brutalität zu entkommen, und kaum traf er in den Staaten ein, da verpflichtete er sich gleich, um auf der Prärie zu kämpfen.
    »35. Maine!«, rief jemand aus dem Schatten. »Sind Sie das 35. Maine?«
    »Hier drüben!«, bellte Hans, und ein korpulenter Mann kam vom Pier heraufgetrampelt.
    »Sie sind spät dran – wir haben die verdammte Flut schon verpasst!«
    Hans wurde bei diesem Tonfall zornig.
    »Und wer zum Teufel sind Sie?«, raunzte der Sergeant.
    Die dunkle Schattengestalt musterte den Sergeant und wandte sich wortlos ab.
    »Wo zum Teufel finde ich diesen Keane?«
    Andrew hob die Hand und gebot Hans damit Einhalt.
    »Ich bin es, nach dem Sie suchen«, sagte er leise und lenkte das Pferd so dicht an den beleibten Mann heran, dass dieser einen Schritt zurückweichen musste.
    »Und mit wem habe ich hier die Ehre?«, fragte er bedächtig in einem Tonfall, der, wie Hans wusste, trügerisch war – da Andrew gewöhnlich fast ehrerbietig leise wurde, ehe er explodierte.
    »Kapitän Tobias Cromwell vom Transportschiff Ogunquit. Verdammt, Colonel, Sie sollten schon gestern Morgen hier sein! Der Rest der Flotte ist gestern Nachmittag ausgelaufen. Alle anderen sind bereits an Bord und warten auf Ihre Einheit, damit wir verdammt noch mal endlich verschwinden können!«
    »Wir sind aufgehalten worden«, entgegnete Andrew und beherrschte sich immer noch. »Scheint, dass die Rebellen ein kleines Unterhaltungsprogramm zum Abschied geplant hatten, und mein Brigadier musste uns in Reserve halten, bis die Feier zu Ende war.«
    »Verdammt armselige Planung, würde ich sagen!«, raunzte Tobias. »Schaffen Sie jetzt Ihre Männer an Bord, damit wir ablegen
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