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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land
Autoren: J Birmingham
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Osteuropa stammten. In den Berichten, die zu Hause in seinem Büro in Seattle lagen, stand, dass man sich mit solchen Leuten besser nicht anlegen sollte. Die Hälfte von ihnen hatte sich die letzten Reste von Vernunft mit Cocktails irgendwelcher Dschungel-Drogen weggepustet. Sie interessierten sich nur für die teuren Autos und Luxusgüter. Sie kamen, um Kupfer, Eisen und Stahl aus den Trümmern zu bergen. Sie kamen, um Edelsteine, Gold und Kunstwerke zu plündern. Das Museum of Modern Art und ähnliche Einrichtungen waren längst leergeräumt und ihre Schätze in alle Winde verstreut worden. Manche kamen auch einfach nur, um in die Straßen von Manhattan zu kacken.
    Andere wiederum drangen ein, um jeden Amerikaner zu töten, den sie aufspüren konnten.
    Nach Culvers Einschätzung suchten jeden Tag etwa achtbis neuntausend Freibeuter die Straßen von New York heim. Und im Gegensatz zu Armee und Miliz wurden sie nicht von irgendwelchen Regeln oder Gesetzen behindert.
    »Haben Sie mal hier gearbeitet, Jed?«
    »In dieser Straße hier, Mr. President? Nein. Vor sechs Jahren hatte ich eine Weile in New York zu tun, bei Arthur Anderson. Aber in der Wall Street war ich nie beschäftigt.«
    Kipper reckte den Kopf und schaute sich nach den Soldaten des Marinekorps um, die sich in den Gebäuden entlang seiner Route verschanzt hatten. Er konnte sie nirgends entdecken und unterdrückte den leichten Schauer, der ihn erfasste. Irgendetwas war hier faul. Die Vegetation war viel schneller gewachsen, als er sich vorgestellt hatte, wahrscheinlich hatten die Überflutungen und die Stürme der letzten Jahre ihren Beitrag dazu geleistet. Die ganze Stadt machte auf ihn den Eindruck eines überwucherten Friedhofs. Eines Friedhofs, der gleichzeitig ein Schlachtfeld war.

    Eine ganze Kampfbrigade der übrig gebliebenen US-Army, unterstützt von Milizeinheiten war nötig gewesen, um den südlichen Bereich der Insel von Manhattan für seinen Besuch zu säubern. Und sogar diese Säuberung war nicht hundertprozentig, es gab immer noch genügend unbewachte Schlupflöcher und Durchgänge. Zusätzliche Einheiten der Marines und der Special Forces sowie private Sicherheitsdienste waren nötig gewesen, um ein keilförmiges Gebiet zwischen World Trade Center und Battery Park bis hin zur Anlegestelle der Fähre abzusichern – und nachdem das geschehen war, hatte eine Abteilung der irregulären Manhattan-Miliz von Gouverneur Schimmel einen Kordon eingerichtet, den niemand lebend passieren konnte.
    Karen Milliner trat neben ihn und sprach mit gesenkter Stimme.
    »Die Medien sind hier, Mr. President. Wir sollten einen Schritt zulegen.«
    Ihm war schon klar, warum sie es für nötig hielt zu flüstern. Er hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass er diesen Teil seiner Inspektionsreise allein durchführen wollte, nur er und sein Stabschef. Karen war bloß mitgekommen, weil die Medien zu Anfang und am Ende seines Besuchs der toten Stadt bedient werden sollten.
    Kipper wandte sich von der Börse ab, und schon blieb sein Blick an den großen dorischen Säulen der Federal Hall hängen, dem alten Kongressgebäude. Die Statue von George Washington stand immer noch dort auf einem Sockel vor dem Gebäude, das die letzten Jahre offenbar besser überstanden hatte als die vielen modernen Gebäude in der Umgebung. Eine Putzbrigade hatte den Schutt weggeräumt und die wuchernden Pflanzen auf der Steintreppe beseitigt. Nun glänzte die Statue des ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten frisch geschrubbt im Licht der Sonne.

    »Nur eine Minute, bitte«, sagte Kipper.
    Er überquerte die Straße, und sein Sicherheitstrupp eilte hinterher. Jed Culver geriet ziemlich aus der Puste beim Versuch, mit ihm Schritt zu halten. Am Fuße der Treppen schaute Kip nach oben in die Augen von George Washington und senkte dann den Blick, um die Inschrift im Sockel zu lesen.
    An dieser Stelle
wurde
am 30. April 1789
    GEORGE WASHINGTON
    als erster Präsident
der Vereinigten Staaten von Amerika
vereidigt.
    »Mr. President?« Culver zupfte an seinem Ärmel.
    Kipper warf ihm einen ungehaltenen Blick zu. Er hatte sich tapfer bemüht, seinen Stabschef dazu zu kriegen, ihn Kip zu nennen oder vielleicht auch Jimmy – tatsächlich hatte er es ihm sogar befohlen -, aber der ehemalige Rechtsanwalt bestand darauf, die Formalitäten einzuhalten. Kipper vermutete, dass es ihm Spaß machte. Jed Culvers mächtiger Körper steckte in einem dreiteiligen dunkelblauen Anzug, der an einem derart
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