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Das verlorene Gesicht

Das verlorene Gesicht

Titel: Das verlorene Gesicht
Autoren: Iris Johansen
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eben. Er kommt aus einer guten Familie in Charlotte. Ich weiß nicht, ob er verstehen würde, wie wir früher gelebt haben – ich weiß es einfach nicht.«
»Ich würde ihn gerne kennen lernen.«
»Beim nächsten Mal. Du würdest ihn nur abschätzig taxieren und ich käme mir vor wie eine Schülerin, die ihre erste Verabredung mit nach Hause bringt.«
Eve kicherte und nahm sie in den Arm. »Du spinnst. Ich will doch nur sicher sein, dass er gut genug für dich ist.«
»Siehst du?« Sandra ging zur Tür. »Eindeutiges FirstDate-Syndrom. Ich bin spät dran. Wir sehen uns.«
Eve trat ans Fenster und sah zu, wie ihre Mutter den Wagen aus der Einfahrt setzte. Sie hatte sie seit Jahren nicht mehr so aufgeregt und glücklich erlebt.
Nicht seit Bonnie noch am Leben war.
Es war nutzlos, wehmütig aus dem Fenster zu starren. Sie war froh, dass ihre Mutter eine neue Liebesbeziehung hatte, aber sie würde nicht mit ihr tauschen wollen. Sie würde gar nicht wissen, was sie in ihrem Leben mit einem Mann anfangen sollte. Affären für eine Nacht lagen ihr nicht und für alles andere hätte sie mehr Zeit investieren müssen, als sie sich leisten konnte.
Sie verließ das Haus durch die Hintertür und ging die Treppe hinter der Küche hinunter. Der Geißblattstrauch stand in voller Blüte und der berauschende Duft umfing sie auf dem Weg ins Labor. Das Aroma schien im Zwielicht und frühmorgens immer etwas intensiver zu sein. Bonnie hatte den Strauch geliebt und die Blüten immer vom Zaun abgepflückt, wo ständig Bienen summten. Eve hatte keinen Rat mehr gewusst, wie sie Bonnie davon abhalten konnte, damit sie nicht gestochen würde.
Sie musste bei der Erinnerung lächeln. Es hatte lange Zeit in Anspruch genommen, die guten von den schlechten Erinnerungen zu trennen. Anfangs hatte sie versucht, sich vor dem Schmerz zu schützen, indem sie sich gegen alle Gedanken an Bonnie abschottete. Sie begriff aber nach und nach, dass ihr so die Erinnerung an ihre Tochter verloren gehen würde und auch all die Freude, die Bonnie in ihr und Sandras Leben gebracht hatte. Bonnie hatte etwas Besseres verdient – »Ms Duncan.«
Sie erstarrte, dann fuhr sie herum.
»Es tut mir Leid, ich wollte Ihnen keine Angst einjagen. Ich heiße John Logan. Dürfte ich Sie mal sprechen?«
John Logan. Hätte er sich nicht vorgestellt, dann hätte sie ihn auch von dem Foto her erkannt. Die kalifornische Bräune war nicht zu übersehen, dachte sie hämisch. Und in seinem grauen Armani-Anzug und seinen Schuhen von Gucci wirkte er in ihrem kleinen Garten deplatziert wie ein Pfau.
»Sie haben mir keine Angst eingejagt, Sie haben mich erschreckt.«
»Ich habe an der Tür geklingelt.« Er lächelte und ging auf sie zu. Er strahlte Selbstsicherheit und Charme aus. Sie hatte charmante Männer nie gemocht; hinter Charme ließ sich zu viel verstecken. »Ich nehme an, Sie haben mich nicht gehört.«
»Nein.« Sie hatte auf Anhieb Lust, sein Selbstbewusstsein zu erschüttern. »Dringen Sie immer einfach so ein, Mr Logan?«
Er ließ sich von ihrem Sarkasmus nicht beirren. »Nur wenn ich jemanden wirklich sehen möchte. Können wir irgendwo hingehen und miteinander reden?« Sein Blick wanderte zur Tür ihres Labors. »Dort arbeiten Sie, nicht wahr? Ich würde es mir gerne ansehen.«
»Woher wissen Sie, dass ich dort arbeite?«
»Nicht von Ihren Freunden bei der Kripo Atlanta. Ich kann gut verstehen, dass man sich sehr bemühte, Ihre Privatsphäre zu schützen.« Er spazierte langsam Richtung Tür. Er lächelte. »Bitte.«
Offensichtlich war er gewöhnt, dass man ihm augenblicklich nachgab, und wieder empfand sie Ärger. »Nein.«
Sein Lächeln wurde schwächer. »Ich möchte Ihnen etwas vorschlagen.«
»Ich weiß. Warum wären sie sonst hier? Aber ich bin zu beschäftigt, um weitere Aufträge annehmen zu können. Sie hätten zuerst anrufen sollen.«
»Ich möchte etwas über Sie erfahren.« Er schaute zum Labor. »Wir sollten hineingehen und miteinander sprechen.«
»Warum?«
»Es würde mir einiges sagen, was ich über Sie wissen muss.«
Sie starrte ihn ungläubig an. »Ich habe mich bei keiner Ihrer Firmen um einen Job beworben, Mr Logan. Ich habe keine persönliche Durchleuchtung nötig. Ich glaube, es wird Zeit, dass Sie gehen.«
»Geben Sie mir zehn Minuten.«
»Nein, ich habe zu arbeiten. Auf Wiedersehen, Mr Logan.«
»John.«
»Auf Wiedersehen, Mr Logan.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich bleibe.«
Sie erstarrte. »Den Teufel werden Sie tun.«
Er lehnte sich an die Mauer.
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