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Das verlorene Gesicht

Das verlorene Gesicht

Titel: Das verlorene Gesicht
Autoren: Iris Johansen
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»Nur zu, gehen Sie an Ihre Arbeit. Ich werde hier draußen warten, bis Sie bereit sind, mit mir zu reden.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich arbeite wahrscheinlich bis nach Mitternacht.«
»Dann sehen wir uns nach Mitternacht.« Er hatte seinen Charme abgelegt wie einen Mantel. Nun war er eiskalt, knallhart und absolut entschlossen.
Sie öffnete die Tür zu ihrem Labor. »Gehen Sie.«
»Erst wenn Sie mit mir gesprochen haben. Sie würden es sich leichter machen, wenn Sie meinen Vorschlag anhören würden.«
»Ich will es mir nicht leicht machen.« Sie schloss die Tür hinter sich und schaltete das Licht an. Sie mochte es nicht, wenn die Dinge einfach waren, und sie mochte es auch nicht, von Männern, die glaubten, ihnen gehörte die Welt, zu etwas gezwungen zu werden. Nun gut, sie reagierte vielleicht zu heftig. Normalerweise ließ sie sich nicht so einfach aus der Fassung bringen, aber er war immerhin in ihre Sphäre eingedrungen.
Und ihre Sphäre war ihr verdammt wichtig. Sollte der Scheißkerl doch die ganze Nacht draußen warten.
    Um fünf nach halb zwölf riss sie die Tür auf.
»Kommen Sie rein«, sagte sie knapp. »Ich möchte nicht,
dass Sie da draußen sind, wenn meine Mutter nach Hause
kommt. Sie könnten ihr Angst einjagen. Zehn Minuten.« »Danke«, sagte er ruhig. »Ich weiß Ihr Entgegenkommen zu schätzen.«
Weder Sarkasmus noch Ironie lagen in seiner Stimme, aber
das bedeutete noch gar nichts. »Es ist lediglich Notwendigkeit. Ich hatte gehofft, Sie hätten längst aufgegeben.« »Ich gebe nicht auf, wenn ich etwas brauche. Aber es
wundert mich, dass Sie nicht Ihre Freunde bei der Polizei
angerufen haben, damit sie mich rausschmeißen.« »Sie sind ein mächtiger Mann und haben vermutlich Ihre
Kontakte. Ich wollte sie nicht in Verlegenheit bringen.« »Denen könnte ich keinen Vorwurf machen.« Er ließ
seinen Blick durch das Labor schweifen. »Sie haben ja
reichlich Platz hier drin. Von außen wirkt es kleiner.« »Bevor es zur Garage umgebaut wurde, war es ein
Kutscherhaus. Dieser Stadtteil ist ziemlich alt.«
»Ich habe es mir gar nicht so vorgestellt.« Er betrachtete die rostrot-beige gestreifte Couch, die Grünpflanzen auf der Fensterbank und die gerahmten Fotos von ihrer Mutter und
von Bonnie auf dem Bücherregal. »Es wirkt … behaglich.« »Ich hasse kalte, sterile Labors. Es spricht nichts
dagegen, Bequemlichkeit mit Effizienz zu verbinden.« Sie
setzte sich an ihren Schreibtisch. »Schießen Sie los.« »Was ist das? Zwei Videokameras?«
»Die brauche ich für die Mischbilder.«
»Und was ist – interessant.« Mandys Schädel hatte seine
Aufmerksamkeit erregt. »Das sieht aus wie etwas aus
einem Voodoo-Film, mit all diesen kleinen Speeren, die
darin stecken.«
»Ich erstelle ein Diagramm, in dem die verschiedenen
Weichteildicken dargestellt werden.«
»Müssen Sie das machen, bevor Sie –«
»Reden Sie.«
Er setzte sich neben ihren Schreibtisch. »Ich möchte Sie
anheuern, damit Sie einen Schädel für mich identifizieren.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin zwar gut, aber die
einzig zuverlässigen Methoden der Identifikation sind
Zahnbefunde und DNA-Analysen.«
»In beiden Fällen muss man wissen, nach wem man
sucht. Diesen Weg kann ich nicht einschlagen, bevor ich
mir nicht ganz sicher bin.«
»Warum nicht?«
»Es würde Probleme verursachen.«
»Geht es um ein Kind?«
»Um einen Mann.«
»Und Sie haben keine Ahnung, wer es ist?«
»Doch, ich habe einen Verdacht.«
»Aber das wollen Sie mir nicht erzählen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Gibt es Fotos von ihm?«
»Ja, aber ich werde sie Ihnen nicht zeigen. Ich möchte,
dass Sie unvoreingenommen anfangen und nicht ein
Gesicht rekonstruieren, das Sie für das richtige halten.« »Wo sind die Knochen gefunden worden?«
»Sie liegen in Maryland … glaube ich. Man weiß noch
nicht genau wo.«
Sie bekam große Augen vor Überraschung. »Was wollen
Sie dann überhaupt hier?«
»Ich brauche Sie am Ort des Geschehens. Ich möchte Sie
dabeihaben. Ich werde mich ranhalten müssen, wenn das
Skelett erst einmal ausfindig gemacht ist.«
»Und ich soll meine Arbeit unterbrechen und auf gut
Glück nach Maryland fahren, wo Sie vielleicht das Skelett
finden?«
»Genau«, erwiderte er ruhig.
»Blödsinn.«
»Fünfhunderttausend Dollar für zwei Wochen Arbeit.« »Wie bitte?«
»Sie haben mir doch klar gemacht, dass Ihre Zeit
wertvoll ist. Soweit ich weiß, ist dieses Haus gemietet. Sie
könnten es kaufen und hätten noch eine Menge übrig.
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