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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies
Autoren: Andreas Franz
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ist dein Zuhause, das sollte endlich mal in deinen kleinen dickköpfigen Schädel dringen! Und solltest du doch versuchen abzuhauen, ich werde dich finden, egal, wo auf der Welt du dich versteckst. Und dann gnade dir Gott! Ich werde dich umbringen, so wahr ich Rolf Lura heiße. Also, Liebling, vergiss es einfach, okay! Und jetzt mach dich sauber, ich hasse es, wenn du so aussiehst.« Und nachdem sie aufgestanden war: »Und wag es bloß nicht, in Markus’Zimmer zu gehen. Und wag es auch nicht, ihm von heute Abend zu erzählen. Du weißt, ich sehe es an seinem Gesicht. Ich sehe und höre alles. Selbst die Dinge, die nicht ausgesprochen werden.«
    Sie schlich ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. In ihrem Gesicht waren kaum Spuren der Schläge zu sehen, nur ein kleiner Kratzer an der linken Wange. Dafür schmerzte ihr Unterleib, vor allem ihr Anus, als würde er sie immer noch mit seinen heftigen, gewalttätigen Stößen penetrieren. Aber auch diese Schmerzen war sie inzwischen gewohnt. Prügel und Vergewaltigung gehörten seit ihrer Eheschließung zu ihrem Leben wie essen und trinken. Er hatte sie bestimmt schon tausendmal physisch misshandelt, noch öfter jedoch war es die psychische Gewalt, die er einsetzte. Tagelang hielt er es aus, ohne ein Wort zu sprechen – morgens grußlos das Haus verlassen, abends ebenso grußlos wieder heimkommen, dazwischen immer wieder das Läuten des Telefons, doch sobald sie den Hörer abnahm, wurde am andern Ende aufgelegt. Sie wusste, es waren seine Kontrollanrufe, ob sie auch schön brav daheim war. Es war ein Spiel, dessen Regeln er bestimmte. Psychoterror. Und jeden dieser Tage verbrachte sie in der Furcht, es könnte etwas Schreckliches passieren.
    Manchmal hörten diese Zustände von einer Sekunde zurandern auf, und er wurde freundlich und zugänglich, brachte ihr Blumen oder sogar größere Geschenke mit. Doch genauso plötzlich brach in ihm wieder der brutale, jähzornige Ehemann hervor. Es waren Kleinigkeiten, die in ihm den Schalter umlegten und aus dem Jekyll einen Hyde machten. Ein Telefonat mit einer Bekannten – Freundinnen hatte sie keine –, bei dem sie lachte, eine harmlose Bemerkung, wenn das Essen nicht auf die Minute genau auf dem Tisch stand oder nicht seinem Geschmack entsprach, sie sich mit ihrem Sohn allein unterhielt, vor allem aber, wenn sie am Klavier saß und spielte. Sie beherrschte außer Deutsch vier weitere Sprachen, hatte Musik studiert und war auf dem besten Weg gewesen, eine gefeierte Konzertpianistin zu werden, als er in ihr Leben trat.
    Er saß bei einer Aufführung vor geladenen Gästen der feineren Gesellschaft im Publikum, sie hatten sich nach dem Konzert unterhalten, Champagner getrunken und sich für einen der kommenden Abende zum Essen verabredet. Er überhäufte sie mit Geschenken, und obwohl sie bereits einen Vertrag für eine Konzerttournee unterschrieben hatte, zerriss sie diesen wieder, nachdem er sie immer wieder gedrängt hatte, ihn doch zu heiraten. Und sie hatte nachgegeben. Zu dem Zeitpunkt war sie gerade einundzwanzig Jahre alt, er zweiunddreißig.
    Das erste Mal hatte er sie in der Hochzeitsnacht geschlagen, weil sie nur ein einziges Mal mit einem andern getanzt hatte, obwohl dieser andere niemand weiter als sein Bruder Wolfram gewesen war. Die Gäste waren alle gegangen, er hatte sie nach oben ins Schlafzimmer gezerrt, ihr ein paar Ohrfeigen gegeben und sie angeschrien, was sie sich einbilde, mit einem andern zu tanzen und ihn damit vor den Gästen bloßzustellen. Wie eine Hure habe sie sich aufgeführt. Anschließend hatte er sie brutal vergewaltigt. Am nächsten Morgen hatte er sich bei ihr entschuldigt und gemeint, er habe wohl ein wenig zu viel getrunken und so etwas würde ganz sicher nicht wieder vorkommen. Sie hatte ihm verziehen, aber die folgenden Tage, Monate undJahre wurden zu einer wahren Tortur. Immer mehr und immer schneller wurde aus dem anfangs so freundlichen, aufmerksamen Rolf Lura ein Mann, der sich alles, was er wollte, mit Gewalt nahm.
    Er verwaltete das gesamte Vermögen, sie selbst hatte bis vor einem halben Jahr kein eigenes Konto, keinen Einblick in die Kontoauszüge, er teilte ihr jeden Cent zu und verlangte, dass sie sämtliche Einkäufe belegte. Doch von einem Tag auf den andern war er wie ausgewechselt und ausnehmend großzügig, drückte ihr einfach tausend oder zweitausend Euro in die Hand und sagte, sie solle sich was Schönes dafür kaufen. Seit ziemlich genau einem halben Jahr tat er dies
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