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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies
Autoren: Andreas Franz
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Kopf herum eine riesige Blutlache. Die Schubladen und Schränke waren durchwühlt worden, es fehlte Schmuck, ein paar Euro, die Zimmer sahen aus wie nach einem Bombenangriff. Die Haustür war nicht aufgebrochen, der Mann hatte den oder die Täter offenbar arglos eingelassen. Die Nachbarn in der Siedlung waren befragt worden, doch wie so oft hatte keiner etwas Außergewöhnliches gesehen oder gehört. Dabei war die Tat laut Rechtsmedizin gegen Mittag verübt worden, und in der Nachbarschaft wohnten vorwiegend ältere Menschen. Wenn der Polizei nicht Kommissar Zufall zu Hilfe kam, würden sie die Akten in einem,vielleicht auch erst in zwei Jahren als unerledigt schließen müssen.
    Sie hatte es gerade noch geschafft, um kurz vor acht in den Supermarkt zu kommen und schnell ein paar notwendige Lebensmittel einzukaufen, eine Tüte geschnittenes Brot, ein Stück Butter, eine Dose Tomatensuppe, Salami und zwei Dosen Bier und an der Kasse eine Schachtel Gauloises, obwohl in der alten noch fünf Zigaretten waren und diese mit Sicherheit bis morgen Mittag reichen würden. Sie hatte nicht ganz mit dem Rauchen aufgehört, es jedoch geschafft, ihr Tagespensum von vierzig auf etwa zehn zu reduzieren, in Stresszeiten waren es auch mal ein paar mehr. Sie war stolz auf sich, es jetzt schon seit über einem halben Jahr durchzuhalten, und irgendwann würde sie ganz damit aufhören. Als sie den Sommerurlaub bei ihrer Freundin Susanne Tomlin in Südfrankreich verbrachte, hatte sie sogar einmal eine ganze Woche nicht geraucht. Aber dann kam der Alltag wieder und mit ihm der Griff zur Zigarette.
    Im Briefkasten war keine Post wie meist am Montag. Sie stieg die Stufen nach oben, schloss die Tür auf und verzog die Mundwinkel, als sie die unaufgeräumte Wohnung, das ungespülte Geschirr, den seit zwei Wochen nicht gesaugten Boden sah. Sie wusste, es würde vielleicht eine halbe oder Dreiviertelstunde dauern, bis das Gröbste erledigt war, und nahm sich vor, es noch vor dem Abendessen zu tun. Sie fühlte sich selbst nicht wohl in dieser Unordnung. Sie hängte ihre Handtasche an die Stuhllehne und stellte die Einkaufstüte auf einen Stuhl. Dann streifte sie die Schuhe ab, ging ins Bad, um sich die Hände und das Gesicht zu waschen, und warf einen kurzen Blick in den Spiegel.
    Während sie saugte, den Aschenbecher leerte, das Geschirr spülte und frische Luft von draußen hereinwehte, köchelte die Tomatensuppe auf kleiner Flamme vor sich hin. Die neueste CD von Bon Jovi hörte sie sich jetzt zum ersten Mal in voller Länge an. »Jungs, ihr habt schon bessere Musik gemacht, ihr werdet langsam alt«, sagte sie zur Stereoanlage, als sie, nachdem sie dasBett abgezogen und die Bezüge zusammen mit drei Handtüchern und etwas Unterwäsche in die Waschmaschine gestopft hatte, ein frisches Laken und Bezüge auf das Bett legte und zurück in den Küchenbereich ging. Sie sah sich um und war zufrieden. Ein Blick auf die Uhr, Viertel nach neun. Sie machte den Fernseher an, um ihre Lieblingsserie auf RTL zu schauen,
Hinter Gittern,
schmierte sich zwei Brote, legte auf eines vier kleine Salamischeiben und auf das andere Lachsschinken, nahm zwei Gurken aus dem Glas und schüttete die Tomatensuppe in den tiefen Teller. Bevor sie zu essen begann, schloss sie die Fenster, zog die Vorhänge zu, löschte das große Licht und machte die Stehlampe an.
    Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie müde und erschöpft sie war, wie sehr dieser Tag und das zurückliegende Wochenende auf der Suche nach dem Mörder des alten Mannes sie geschlaucht hatten. Nach dem Essen lehnte sie sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. In der ersten Werbepause klingelte das Telefon. Hellmer.
    »Hi, ich will auch nicht lange stören. Nur so viel, wir haben eine heiße Spur. Ein Pfandleiher hat, kurz nachdem du weg bist, beim KDD angerufen und mitgeteilt, dass ein Achtzehnjähriger am Donnerstag Schmuck bei ihm versetzt hat, und zwar genau den Schmuck, der als gestohlen gemeldet wurde. Der Typ war so blöd, dass er auch noch seinen Ausweis vorgelegt hat. Er wird gerade abgeholt. Wohnt übrigens nicht weit von dem Alten entfernt.«
    »Schön, dann lass das mal die Kollegen machen, ich bin müde. Und sollte es sich um den Täter handeln, sag mir Bescheid, aber erst morgen früh im Präsidium. Okay?«
    »Schon gut, schon gut, ich wollte ja nur …«
    »Gute Nacht und bis morgen«, sagte sie und legte einfach auf. Sie holte sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und trank in kleinen
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