Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
immer häufiger. Sie hatte das Gefühl, als wollte er damit sein schlechtes Gewissen beruhigen. Einen Teil dieses Geldes hatte sie bei einer kleinen Bank auf ein Sparbuch gebracht und irgendwann, so hoffte sie, würde es ausreichen, um mit Markus endlich dieser Hölle zu entfliehen. Er hatte ihr auch vor sechs Monaten zum Geburtstag einen BMW Z8 geschenkt, mit dem sie ihre Einkäufe erledigen konnte, während sie vorher immer ein Taxi nehmen und ihm anschließend die Belege vorlegen musste. Überhaupt ging irgendetwas mit ihm vor, für das sie keine Erklärung hatte. Er war seitdem nicht mehr so gewalttätig, auch wenn ihm dann und wann noch die Hand ausrutschte, aber es waren Schläge, die sie ertragen konnte. Die Stimmungswechsel wurden seltener, es gab öfter als in den Jahren zuvor Zeiten, in denen er regelrecht euphorisch und aufgedreht war. Doch das, was heute Abend geschehen war, ließ sie befürchten, dass er wieder in alte Verhaltensweisen verfiel.
    Nachdem sie sich gewaschen und die Stelle, wo er in sie eingedrungen war, dick eingecremt hatte und die brennenden Unterleibsschmerzen ganz allmählich nachließen, ging sie zurück ins Schlafzimmer. Er saß auf der Bettkante, die Nachttischlampe brannte. Sie hatte sich ein Nachthemd übergezogen und legte sich auf ihre Seite.
    »Ich möchte mich in aller Form bei dir entschuldigen, ichwollte das eben nicht«, sagte er leise, schüttelte den Kopf und fuhr sich mit beiden Händen durch das immer lichter werdende Haar. »Ich weiß wirklich nicht, was auf einmal wieder in mich gefahren ist. Es wird nicht mehr vorkommen, das verspreche ich. Ich weiß, ich weiß, ich habe das schon so oft versprochen, aber die letzten Monate waren doch ganz schön, oder? Sag jetzt nichts, ich will einfach nur, dass du das von eben vergisst. Ich hatte einen miserablen Tag, wirklich, und irgendwie hab ich mich saumäßig gefühlt. Ich will doch nur, dass du glücklich bist, genau wie Markus. Verzeihst du mir diesen Ausrutscher?« Er legte sich hin, auf ihre Seite, und streichelte mit einer Hand ihr Gesicht.
    »Ist schon gut«, sagte sie und starrte an die Decke. »Aber vielleicht solltest du doch mal überlegen, ob du nicht eine Therapie machen willst. Wir haben schon mal drüber gesprochen, und du …«
    »Ich werde eine machen. Gleich morgen rufe ich bei einem Therapeuten an. Ich liebe dich, ich liebe dich wirklich über alles. Und allein der Gedanke, dich zu verlieren, macht mich krank. Ich will dich nicht verlieren, weil du für mich die beste Frau bist, die ich mir vorstellen kann. Und so was wie heute soll nicht mehr passieren, ich schwöre es bei Gott. Ich weiß, ich bin krank, ich muss krank sein. Aber so leicht gebe ich mich nicht geschlagen. Ich bin ein Kämpfer, und ich werde gegen meine Schwächen ankämpfen.«
    »Ich würde mir nichts sehnlicher wünschen.«
    »Ich werde dich nicht enttäuschen, garantiert.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich möchte gerne in deinem Arm einschlafen«, sagte er.
    Auch das war sie gewohnt, streckte ihren rechten Arm aus, und er legte seinen Kopf in die Achselhöhle. Er atmete ruhig und gleichmäßig, die Beine angezogen, der Körper zusammengerollt wie ein Embryo. Er benahm sich wie ein kleines Kind, bockig, jähzornig, und dann wieder suchte er ihre Wärme. Sie lag noch lange wach und starrte in die Dunkelheit, während er längstschlief. Es war fast ein Uhr, als auch ihr endlich die Augen zufielen.

Montag, 20.30 Uhr
    Julia Durant stellte den Wagen nach einem langen und zermürbenden Arbeitstag in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung ab. Der brutale Mord an einem siebzigjährigen Rentner hatte sie und ihre Kollegen das ganze Wochenende und auch den Montag auf Trab gehalten. Ein Mord, so sinnlos wie ein Pickel am Arsch, wie Kullmer sarkastisch bemerkt hatte. Der Mann war am Donnerstag noch lebend gesehen worden. Er hatte zwei Brötchen und etwas Wurst sowie die obligatorische Zeitung und drei Zigarren gekauft. Ein stiller Mann, der seine Frau vor einem Jahr verloren hatte und jetzt allein in seinem schmucken Haus lebte. Unauffällig und ruhig. Ein pensionierter Finanzbeamter, bei den Nachbarn beliebt, der sich aber nach dem Tod seiner Frau zurückgezogen hatte. Lediglich seine Tochter kam dreimal in der Woche vorbei, um nach dem Rechten zu sehen und ihm beim Putzen und Aufräumen zur Hand zu gehen. Sie hatte ihren Vater am Freitagvormittag gefunden, der Schädel mit einem massiven Kerzenständer eingeschlagen, auf dem Teppich um den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher