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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies
Autoren: Andreas Franz
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Steine aus dem Weg. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte, du hast mir immer alles erlaubt, aber ich durfte keine Freunde haben, weil angeblich keiner von ihnen gut genug für mich war. Selbst wenn ich mich für einen Tag in meinem Versteck verkrochen habe, hast du nicht mal geschimpft. Ich gebe dir keine Schuld für all das, was geschehen ist. Ich weiß, ich bin erwachsen und selbst verantwortlich für meine Taten, aber möglicherweise wäre alles anders gekommen, wäre ich in einer anderen Familie groß geworden. Und jetzt lasst mich bitte allein.«
    »Rolf«, sagte sein Vater, »ich werde wahrscheinlich nie verstehen, warum du Gabi umgebracht hast. Sie war eine liebe und herzensgute Frau. Trotzdem möchte ich dich noch einmal umarmen, wenn du gestattest, denn du bist auch mein Sohn. Ich werde dich aber nicht sehr oft besuchen können, weil ich am Donnerstag nach Spanien fliege, um mir dort eine Wohnung oder ein Haus zu suchen. Deine Mutter weiß schon Bescheid.«
    Rolf Lura lächelte und sagte: »Eine weise Entscheidung, eine sehr weise Entscheidung sogar. Du hättest sie nur schon viel früher treffen müssen, dann wäre dir viel erspart geblieben, wenn du verstehst.«
    Horst Lura umarmte seinen Sohn, während Ursula Lura hilflos dastand und die unwirkliche Szene beobachtete. Nach zehn Minuten verließen sie das Präsidium, Rolf Lura wurde wieder in Durants Büro geführt.
    Um elf Uhr erschien der Staatsanwalt, der Lura noch einmal für zwei Stunden vernahm. Kurz darauf kam Luras Anwalt, Dr. Kohlmann. Er ließ sich erst von Durant den Fall erklären, um sich danach mit seinem Mandanten zu besprechen.
    Anschließend wurde Rolf Lura dem Haftrichter vorgeführt, der den Haftbefehl und die Einweisung in das Untersuchungsgefängnis in Weiterstadt anordnete. Es war fast neunzehn Uhr, als Rolf Lura in das Untersuchungsgefängnis gebracht wurde.

Epilog
    Julia Durant hatte sich für den Rest der Woche freigenommen und war am Mittwoch zu ihrem Vater gefahren, um sich in der Umgebung ihrer Kindheit und Jugend zu regenerieren. Sie schlief in ihrem alten Zimmer, das noch immer so aussah wie zu dem Zeitpunkt, als sie ausgezogen war. Sie machte lange Spaziergänge, führte endlose Gespräche mit ihrem Vater, der alles versuchte, um sie wieder aufzubauen, denn kaum ein Fall war ihr so nahe gegangen wie dieser, weil er ihr zeigte, wie eine Familie, die nach außen hin als perfekt galt, in ihrem Innern marode und kaputt war, dominiert von einer alles beherrschenden tyrannischen Mutter, gegen die keiner der drei Männer eine Chance hatte. Aber sie wusste auch, dass dies keine Entschuldigung für die Taten von Rolf Lura war, sondern höchstens eine Erklärung für sein abnormes Verhalten. Er war ein Lügner, ein Schläger, Vergewaltiger und Mörder. Sie hoffte, er würde nie wieder den Duft der Freiheit riechen dürfen.
    Prof. Richter, der schon seit Jahren mit der Kripo zusammenarbeitete und inzwischen ein guter Freund von Julia Durant geworden war, hatte lange Gespräche mit Lura geführt und war letztlich zu dem Schluss gekommen, dass Rolf Lura zwar keine gespaltene Persönlichkeit war, aber dem ungeheuren Druck, den seine Mutter seit seiner Geburt auf ihn ausübte, nicht gewachsen war. Sie hatte ihn nie geschlagen, nie angeschrien, sie war liebevoll und doch erdrückend. Sein Trauma begann, als er mehrfach mit ansehen musste, wie diese Mutter seinen Vater ein ums andere Mal geschlagen und psychisch gedemütigt hatte und dieserkeine Gegenwehr zeigte. Rolf Lura aber wollte nicht so werden wie sein Vater, er wollte sich den Frauen gegenüber behaupten, doch er kannte die Grenze nicht und wurde so zum Mörder.
    Bereits Anfang Dezember wurde der Prozess gegen Rolf Lura eröffnet, er dauerte nur vier Verhandlungstage. Obwohl sein Anwalt alles in die Waagschale warf und ein feuriges Schlussplädoyer zugunsten seines Mandanten hielt, wurde Rolf Lura wegen Mordes in drei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Auf eine anschließende Sicherungsverwahrung, wie von der Staatsanwaltschaft und den Anwälten der Nebenkläger gefordert, wurde verzichtet.
    Rolf Lura wird im Gefängnis von Weiterstadt seitdem regelmäßig von seinem Bruder Wolfram besucht. Sein Vater kommt einmal im Monat aus Spanien, wo er sich ein kleines Haus an der Grenze zu Portugal gekauft hat. Ursula Lura schreibt jeden Tag einen Brief an ihren Sohn, doch alle Briefe gehen ungeöffnet wieder zurück. Als sie ihn einmal besuchen wollte, weigerte er
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