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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies
Autoren: Andreas Franz
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nicht ein einziges Mal. Wolfram hat es nie mitbekommen, nur die kleinen Streitereien zwischen den beiden. Aber meine Mutter wollte, dass
ich
es sehe. Erst hat es mir das Herz gebrochen, weil ich nicht glauben wollte, was ich da sah, später wurde daraus Verachtung.«
    »Das heißt, Sie lieben Ihre Mutter und hassen sie gleichzeitig. Ist das der Grund für Ihren Hass gegenüber Frauen?«
    »Ich hasse Frauen nicht, das müssen Sie mir glauben.«
    »Aber Sie misshandeln und töten sie. Ist das kein Hass?«
    »Nein, so würde ich das nicht nennen. Ich kann Ihnen nicht sagen, was es ist.«
    »Würden Sie mir jetzt etwas zu Melissa Roth sagen?«
    »Ob Sie es glauben oder nicht, ich hatte nicht vor, sie umzubringen. Sie hat mich ausgelacht, und da ist in mir eine Sicherungdurchgebrannt. Das war das erste Mal, dass ich die Aggressionen nicht gegen mich, sondern gegen jemand anders gerichtet habe. Und ich habe mich richtig gut dabei gefühlt, denn ich merkte, dass es auch einen anderen Weg gibt, diesen verdammten Frust und diese Aggressionen loszuwerden.«
    »Bereuen Sie diese Tat?«
    »Keine Ahnung. Ich glaube schon, aber das wird wohl alles kommen, wenn ich im Gefängnis Zeit habe, in Ruhe darüber nachzudenken.«
    »Bereuen Sie denn all die andern Sachen?«
    Lura lachte kurz auf. Durant wunderte sich über die folgenden Worte, die auf einmal so sanft und weich klangen. »Ich bereue nur eine Sache – dass ich nicht in eine andere Familie geboren wurde. Was rede ich da für einen Blödsinn, so was kann man gar nicht bereuen, aber ich habe mir als Kind und Jugendlicher oft gewünscht, eine andere Familie zu haben. Werten Sie das aber bitte nicht als Entschuldigung für meine Taten.«
    »Wenn Sie bestimmte Dinge ungeschehen machen könnten, würden Sie es tun?«
    »Bis eben habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, weil ich ein Meister im Verdrängen bin. Jetzt würde ich sagen, ja, ich würde es tun. Na ja, vielleicht. Wenn man hier sitzt, sagt man wohl so einiges.«
    »Wie stehen Sie zu Ihrem Sohn?«
    »Er wird hoffentlich seinen Weg gehen.«
    »Lassen Sie uns über Ihre Frau sprechen. Die Gewaltexzesse in Ihrer Ehe waren an der Tagesordnung. Ich habe Ihre Frau kennen gelernt und muss sagen, sie hat mich sehr beeindruckt, noch mehr, als ich gehört habe, was sie alles durchgemacht hat. Aber Sie haben sie trotzdem immer wieder gedemütigt. Warum vergreifen Sie sich grundsätzlich an Schwächeren?«
    »Weil nur die Starken überleben.«
    »Sie empfinden es also als Stärke, wenn Sie Frauen misshandeln, obwohl Sie genau wissen, dass diese sich nicht wehrenkönnen. Für mich ist das keine Stärke, sondern ein Ausdruck von extremer Schwäche und Komplexen.«
    »Wenn Sie meinen.«
    »Jedes Mal, wenn ich Recht habe, antworten Sie mit ›wenn Sie meinen‹. Sie mögen nicht über Ihre Schwächen sprechen.«
    »Sie vielleicht?«, fragte er süffisant lächelnd.
    »Haben Sie Ihre Frau je geliebt?«
    »Jeder definiert Liebe anders. Ja, ich habe sie geliebt, aber auf meine Art …«
    »Und diese Art sah so aus, dass Sie regelmäßig Gewalt einsetzen mussten, um ihr diese Liebe zu beweisen, sie ihr praktisch einzuprügeln …«
    »Mag sein, ich bin auch nur ein Mensch.«
    »Warum haben Sie Ihre Frau und Dr. Becker umgebracht?«
    »Sie hat mich mit diesem Arschloch betrogen. Alles andere überlasse ich Ihrer blühenden Fantasie«, sagte er zynisch und wurde wieder zu dem Rolf Lura, den Julia Durant kennen gelernt hatte.
    »Sie können es nicht ertragen, wenn man Ihnen Ihr Eigentum wegnimmt. Sie können es nicht ertragen, wenn eine Frau sagt, bis hierher und nicht weiter. Sie können es nicht ertragen, wenn eine Frau sagt, ich trenne mich von dir. Sie können Zurückweisung nicht ertragen, denn Zurückweisung ist gleichbedeutend mit nicht geliebt zu werden …«
    »Sie haben doch keine Ahnung, wovon Sie da reden!«
    »Frau Kreutzer wollte sich von Ihnen trennen, weil sie es nicht mehr aushielt, wie Sie immer besitzergreifender wurden, wie Sie Ihre sexuellen Fantasien immer härter durchsetzten. Und als sie Ihnen mitteilte, sie würde sich von Ihnen trennen, sind Sie ausgerastet. Sie hat mir jedes Detail dieses Abends erzählt. Und laut der Aussage von Dr. Meißner war Frau Kreutzer nur eine von vielen Frauen, die Ähnliches mit Ihnen durchgemacht haben. Und sagen Sie mir noch einmal ins Gesicht, dass Sie keinen Hass auf Frauen haben. Los, sagen Sie’s!«
    Schweigen.
    »Schweigen kann auch eine Antwort sein. Was ich mich aber frage,
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