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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme
Autoren: Boris Koch
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nur Tiere, wenn auch besonders edle und wertvolle.« Verunsichert schaute Finta umher. Die Drachen knurrten nun laut, ihre Augen blitzten. »Ausgesprochen edle, natürlich. Aber es ging um meine Familie! Was hätte ich denn tun sollen?«
    »Und Aiphyron ist meine Familie!«, rief Ben. »Was also soll ich mit dir tun, da du ihn versklaven und verkaufen wolltest?«
    »Er ist doch kein Mensch!«, wiederholte Finta stur. »Du kannst ihn doch nicht wie einen behandeln.«
    Bevor Ben antworten konnte, war Juri nach vorn geschnellt und hatte den Händler aus dem Sattel gerissen. Zornig warf er ihn zu Boden und hielt ihn mit einer Klaue fest. Die scharfen Krallen zerrissen das teure Hemd, und in seinen Augen brannte eine derart heiße Wut, dass Ben nicht hinsehen konnte, obwohl sie nicht ihm galt; sie verursachte ihm Schmerzen. Die Stimme des Drachen grollte wie die lautesten Donner des Nordens: »Und du bist kein Drache! Was also soll ich mit dir Wurm tun?«
    Finta ächzte vor Schmerz, schlotterte vor Furcht und wich dem unerbittlichen Blick aus. Panisch versuchte er, sich aus dem Griff zu winden, jedoch vergeblich. »Ben, bitte! Ruf ihn zurück!«
    »Du hast es nicht verstanden, Finta«, sagte Ben ungerührt. »Immer noch nicht.«

    »Ruf ihn zurück!«
    »Ich bin nicht sein Herr.« Ben schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid, Ben«, brummte Juri. »Aber ich habe das Gerede nicht mehr ausgehalten.«
    »Schon gut. Ich auch nicht. Und ich will nichts mehr davon hören.«
    Sie fesselten und knebelten den Händler und setzten ihn an einen Baum, während sie berieten, was mit ihm zu tun sei. Dabei strich Ben weiter über Aiphyrons Schulterknubbel, die bereits ein kleines Stück gewachsen waren. Sie konnten Finta keinem Gericht des Großtirdischen Reichs übergeben, da deren Rechtsprechung auf den Lügen über Drachen beruhte. Sie waren Geächtete, die über eine eigene, freie, vom Reich unabhängige Insel verfügten, und so mussten sie auch selbst Recht sprechen. Die Todesstrafe kam nicht infrage, einen Kerker hatten sie nicht, und Finta keine Flügel, die man ihm zum Ausgleich hätte nehmen können. Arme und Zunge wären nicht dasselbe, egal, was sie auf den Pergamenten verbreitet hatten.
    »Verbannung«, schlug Yanko letztlich vor. »Das hat doch damals mit den Rittern gut geklappt.«
    Die anderen nickten, und Marmaran erklärte sich bereit, den Händler fortzuschaffen. Doch Finta wollten sie es nicht so leicht machen wie damals den Rittern Friedbart und Zhenden, ihm würden sie kein Schwert mitgeben, nicht einmal einen Dolch. Sollte er auf wilde Tiere treffen, müsste er sich eben mit bloßen Händen zur Wehr setzen oder fliehen.
    »Und nimm eine Insel, die ein tiefes Loch im Zentrum hat, das wie ein Brunnenschacht in die Tiefe führt«, fügte Juri hinzu. »Ich war mal auf so einer Insel, weit im Süden, und …«

    »Wissen wir«, schnitt ihm Anula das Wort ab. »Wir waren dabei.«
    Irritiert blinzelte der Drache, dann lachte er.
    »Bist du mit der Strafe einverstanden?«, fragte Ben und sah Aiphyron an, der seine Sprache noch nicht wiedererlangt hatte.
    Der Drache nickte.
    »Dann lass uns heimgehen.«
    Sie alle erhoben sich. Marmaran packte Finta in seine Klauen und erhob sich. Ben beobachtete, wie er immer weiter verschwand. Er war sicher, er würde Finta Dogha niemals wiedersehen.

EPILOG
    V or den Toren der Festung schlug Aiphyron mit seinen kleinen Flügeln. Noch konnte er sich nicht in die Luft erheben, doch mit jedem Tag wuchsen sie weiter, auch ohne dass Ben sie ständig berührte. Dennoch tat es Ben oft, weil es so schneller ging.
    Marmaran war zurückgekehrt, er hatte Finta auch noch den Gürtel genommen. Das Schmiedefeuer hatten sie noch immer nicht gestohlen, den dicken Schoßdrachen noch nicht entführt. So viele Ideen und Pläne, die sie nicht umgesetzt hatten. Noch nicht.
    Immer wärmer brannte die Sonne vom Himmel und kündete vom kommenden Sommer, und sie hatten erfahren, dass der Hohe Abt Khelchos von den eigenen Rittern gestürzt worden war, weil er zum eigenen Vorteil mit einem Samothanbeter paktiert und dessen verfluchte Gabe als Hellwahs Werk ausgegeben hatte. Ein eitler Sünder und eine Schande für den Orden.
    So sehr sich Ben über dessen Schicksal freute, so sehr hatte diese Entwicklung auch einen Haken, sollte jetzt doch ein neuer Abt die Leitung des Klosters übernehmen. Ein unnachgiebiger Mann, hieß es, der nicht so weich gegenüber ungehorsamen Knappen war wie der bisherige gegenüber
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