Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
Vielleicht lag es an ihrer tiefen Freundschaft, vielleicht daran, dass sich ihr Blut erst kürzlich miteinander verbunden hatte, doch noch nie hatte er so stark gespürt, wie seine Gabe wirkte. Fast erwartete er, dass jeden Moment Flügel heraussprießen und das Dach durchstoßen würden. Natürlich geschah das nicht, doch Ben heilte weiter und weiter. Das Kribbeln wanderte durch seine Arme und erfasste schon bald den ganzen Körper.

    Nach einer Weile kam der Mann herein, der ihn am Tor erkannt hatte, und fragte, ob alles in Ordnung sei, ob er etwas trinken oder essen wolle.
    »Nein, danke.«
    »Wenn du ihn richtig reiten willst und nicht nur draufsitzen, kannst du gern in den Hof rauskommen.« Der Mann lächelte spöttisch und ging wieder hinaus.
    »Später«, antwortete Ben und lächelte ebenfalls. Und wie er später reiten würde. So schnell, den Schwarzhändlern würden die Augen aus dem Kopf fallen.
    Er hörte, wie der Mann draußen zu irgendwem sagte: »Komischer Kerl, den Herr Dogha da geschickt hat.«
    Doch niemand störte ihn mehr. Das erschien ihm seltsam, aber warum sollte er sich Sorgen machen, wenn es einmal besser lief als geplant?
    Alle halbe Stunde fragte er Aiphyron, ob er ihn verstehe und nun alle Befehle abschütteln könne, die auf ihm lagen. Ob er bereit sei zu fliehen. Weit nach Mitternacht nickte der Drache endlich.
    Er rieb ihm noch eine Weile über die Schulterknubbel, um ganz sicher zu sein, dann führte er Aiphyron in den Innenhof. Dort sah er sich um, konnte jedoch keine Männer erkennen außer den zweien am Tor. Wahrscheinlich hatten sich die anderen hingelegt.
    »Mensch, Junge, du gönnst dir auch keinen Schlaf«, rief der eine ihm zu, der Jjengho genannt worden war. »Was machst du da eigentlich, wenn du dich mit Drachen auskennst? Bringst du ihm irgendeinen Trick bei?«
    »Ja«, sagte Ben. Zustimmen war immer das Einfachste, wenn man keine Ahnung hatte und nicht auffallen wollte. Er schwang sich auf Aiphyrons Rücken und ritt im Kreis,
näherte sich dabei immer wieder dem Tor. Schließlich ließ er Aiphyron nur zwei Schritt vom Tor entfernt anhalten, streckte sich und kreuzte die Arme über dem Kopf. Das war das Zeichen, dass Aiphyron frei war. Der Drache knurrte gefährlich, als er die beiden Männer ins Auge fasste.
    »He!«, sagte der eine und lachte. »Und das soll ein Trick sein?«
    »Ich bringe ihm ausgereiftes Drohen bei«, sagte Ben.
    »Sehr nützlich.« Der Mann lachte wieder. »Steigert sicher seinen Wert.«
    Noch bevor Ben mit ihm über den Wert von Drachen reden konnte, stürzten Marmaran und Feuerschuppe herab, beide ohne einen verwundbaren Menschen auf dem Rücken. Wie aus dem Nichts fielen sie über die zwei Männer her, die von Ben und Aiphyron abgelenkt waren. Die Drachen hatten sie zu Boden gedrückt, bevor sie die Schwerter aus der Scheide gezogen hatten.
    »Kein Laut, oder ihr seid tot«, knurrte Feuerschuppe, und die beiden gehorchten. Einen bangen Moment lang erwartete Ben, dass Pfeile auf sie niederprasseln würden, abgeschossen von weiteren Wachposten, die von ihm unbemerkt in irgendwelchen dunklen Räumen lauerten, doch nichts geschah. Eilends sprang er zu Boden und öffnete das Tor, damit Aiphyron hinaustrotten konnte. Hinter ihm verschloss er es wieder von innen und ließ sich von Marmaran über die Mauer heben. Bei einem zufälligen Blick sollte alles aussehen wie gehabt.
    »Bringt die beiden irgendwo in den Wald, weit weg, sehr weit weg, und lasst sie laufen«, sagte Ben.
    Aiphyron war gerettet, das war alles, worauf es ankam. Die beiden wehrlosen Männer zu töten, wäre Mord. Doch allzu
leicht mussten sie es ihnen auch nicht machen: »Ohne Kleidung und ohne Waffen.«
    »Herr Dogha wird sich rächen«, knurrte der eine noch, dann wurden sie davongetragen.
    Eine seltsame Drohung, dachte Ben. Was sollte es einen Drachenkäufer kümmern, ob … Und dann endlich begriff er. Finta war kein Käufer, sondern der oberste Schwarzhändler, der Kopf der dreckigen Saubande. Wie hatte er die ganze Zeit nur so dämlich sein können? Wer hatte ihm denn die Bucht gezeigt, in der Aiphyron angegriffen worden war? Mit einem flauen Gefühl im Magen sah er dem Drachen in die Augen und fragte: »Hat Finta dir das angetan? Hat er dir die Flügel genommen?«
    Aiphyron nickte. In Ben krampfte sich alles zusammen. Finta, der ihnen sein Leben verdankte. Wie hatte er das tun können? Der verräterische, verlogene Drecksack.
    Vor Wut zitternd kletterte er auf den Drachenrücken.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher