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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme
Autoren: Boris Koch
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nicht bei Bens Befreiung dabei sein zu können. Und darauf wollte keiner verzichten.
    Als sie das Kloster erreichten, war das Tor bereits verriegelt, doch noch herrschte Leben im Innenhof und den Stallungen. Ein Pferd wurde im Feuerschein beschlagen, ein einzelner Knappe wieder und wieder über ein Holzgestell gejagt, doch niemand kehrte den Boden.
    Ungeduldig kreisten Bens Freunde am Himmel, bis Quobemhonn knurrte, er werde schon nicht gesehen, und sich in die Tiefe fallen ließ. Yanko verlor ihn in der Dunkelheit rasch aus den Augen, das war ein gutes Zeichen. Sah man nur seinen Schemen, hielt man ihn vielleicht wirklich für einen außerordentlich plumpen Schwan oder ähnlich großen Vogel.

    Nach wenigen Minuten war er zurück. »In der Zelle sitzt wirklich ein Junge, der eine Maske trägt. Ich habe Ben geflüstert, da ist er zusammengezuckt. Dann ist aber jemand gekommen, und ich bin auf und davon.«
    »Sollen wir stürmen?«, fragte Yanko voller Tatendrang. Ben lebte! Dieser Gedanke durchströmte ihn wie pures Glück. Wild zappelte er auf Juris Rücken, bis der ihn anknurrte, er solle endlich stillhalten.
    »Wir warten«, bestimmte Marmaran. »Die da unten sind alle bewaffnet.«
    »Angst trotz dicker Schuppen?«
    »Ja. Um euch menschliche Gepäckstücke. Und um Ben.«
    »Wenn dieser Akse wirklich die Wahrheit gesagt hat, müssen wir seine Zelle nicht stürmen«, sagte Anula. »Dann wird Ben über den Innenhof zu den Ställen geführt. Genau dann schlagen wir zu.«
    Und so kreisten sie über dem Kloster, während das Leben unten langsam erstarb. Als der Innenhof endlich verlassen war, betraten zwei Ritter das Gebäude, das auch den Kerker beherbergte, und die Drachen glitten im Schutz der Nacht langsam und leise tiefer. Bang und voller Erwartung stierte Yanko ununterbrochen auf die Tür zum Kerker. Es schien Stunden zu dauern, bis die Ritter wieder heraustraten, doch dann führten sie tatsächlich einen Jungen in ihrer Mitte, der eine Maske trug. Einer der Ritter hielt seinen Oberarm umklammert, der andere berührte ihn nicht und würdigte ihn keines Blickes. Der Junge hinkte.
    »Los«, flüsterte Anula, und sie stürzten hinab. Sie wussten, alles musste schnell gehen. Yanko klammerte sich eng an Juri, der Gegenwind fuhr ihm heftig ins Gesicht und zerrte an seinem Hemd. Der Boden raste auf sie zu.

    Als die Ritter den Luftzug der Drachenflügel endlich spürten, blickten sie nach oben. Doch viel zu spät, Juri war bereits über ihnen. Der erste Ritter ließ Ben los und griff nach seinem Schwert, doch Juri trat ihn mit voller Wucht gegen die Brust, sodass er gegen die bestimmt fünf Schritt entfernte Stallwand geworfen wurde und benommen zu Boden sank. Ansatzlos wirbelte Juri herum, so rasch, dass Yanko fast von seinem Rücken gefallen wäre. Mit letzter Kraft klammerte er sich fest, während der Drache dem zweiten den Schwanz mit vollem Schwung ins Gesicht drosch, sodass der zu Boden geschmettert wurde und sich schreiend mehrmals überschlug. Ohne weiter auf ihn zu achten, sprang Juri in die Höhe und breitete die Flügel aus.
    Marmaran, der ihnen in Juris Windschatten gefolgt war, packte sich in diesem Moment den völlig verdutzten Jungen mit der Maske, der beinahe reglos mitten im Klosterhof stand. Ganz sanft umschloss seine große Klaue den Jungen, dann jagte er mit einem lauten Brüllen in den Himmel. Der Junge wehrte sich nicht, die Drachen in den Stallungen antworteten mit lautem Fauchen.
    Die Wächter am Tor und auf den Türmen schrien, ein Pfeil zischte haarscharf an Yankos Gesicht vorbei.
    »Duckt euch, sie schießen!«, rief er und schmiegte sich an Juris Schuppen, versteckte sich hinter ihm. Von solchen Pfeilen konnte ein Drache nicht ernsthaft gefährdet werden. Ausgelassen schrie er hinab: »Blindei!«
    »Ben!«, rief Anula. Ihre Stimme zitterte. »Bist du’s wirklich? Sag was!«
    Und der Junge antwortete: »Anula! Ja. Ja, ich bin’s.« Es war eindeutig seine Stimme. Er lachte und rief alle ihre Namen, selbst die von Nica und Feuerschuppe, die überhaupt nicht
hier waren, was er in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Dann brüllte er eine derart lange Verwünschung an den Abt in die Tiefe, dass er sie dreimal unterbrechen musste, um Luft zu holen.
    Yanko spürte, wie ihm Freudentränen über die Wange rannten. »Juri und ich sagen Nica und Feuerschuppe Bescheid. Wir sehen uns im Verlies.«

DER VERLOGENE SCHWARZHÄNDLER
    M it spitzen Krallen hatte Marmaran die Schlösser an Bens Maske aufgebrochen,
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