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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme
Autoren: Boris Koch
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können.
    »Euer Wort genügt mir nicht.« Ben bemühte sich, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. »Der Knappe wird jetzt auf der Stelle freigelassen, und zwar mit einem schnellen Pferd. Ich werde mir vom Klostertor aus ansehen, wie er davonreitet, und mich überzeugen, dass ihm nicht sofort zehn Ritter folgen, um ihn im nächsten Wald aufzuknüpfen. «
    Khelchos nickte kaum merklich. »Heute Nacht folgt ihm keiner. Aber ich kann nicht garantieren, was meine Ritter morgen früh tun werden, wenn sie erfahren, dass er weg ist.
Schließlich haben sie geschworen, das Böse und die Feinde Hellwahs zu bekämpfen.«
    Damit war der Handel beschlossen. Der Hohe Abt schickte Herrn Rotheisen in den Kerker, um Akse zu holen, und ging selbst mit Ben zum Tor. Dabei befahl er ihm, sich die Kapuze tief ins Gesicht zu ziehen, damit die Maske nicht zu erkennen war.
    Die vom unerwarteten Besuch überraschten Torwächter grüßten unterwürfig und mit zusammengeschlagenen Hacken. Hastig öffneten sie das Tor auf Wunsch des Abts, dann warteten alle schweigend.
    Stille lag über dem Kloster; selbst die Drachen und Tiere verhielten sich ungewöhnlich ruhig. Angespannt wartete Ben, bis sich endlich Huftritte näherten. Herr Rotheisen führte ein Pferd am Zügel und Akse an einer Kette herbei. Der Knappe zitterte und blickte ungläubig nach links und rechts, als erwarte er, dass sich alles gleich als böser Scherz herausstellen würde. Doch das tat es nicht.
    Am Tor angekommen, öffnete Herr Rotheisen seine Kette und nahm ihm auch die von den Füßen ab. Mit ausdruckslosem Gesicht drückte er ihm die Zügel in die Hand.
    »Dank eines vornehmen Fürsprechers, der gern unerkannt bleiben möchte, bist du frei«, sagte der Abt. Inzwischen trug er wieder sein übliches Lächeln auf den Lippen und nickte in Bens Richtung. Er spielte Theater für die Torwächter. »Fürs Erste. Doch es könnte geschehen, dass dich morgen ein Rat der Ritter für vogelfrei erklärt. Das wäre sehr bedauerlich, aber wohl kaum zu verhindern. Die ergebenen Ritter sind Hellwahs Willen zu größerem Gehorsam verpflichtet als mir.«
    »Ich danke Euch.« Akse ging vor Ben auf die Knie. Dabei
hielt er die Zügel weiter fest umklammert, als wolle er das Pferd und die neu gewonnene Freiheit nie wieder loslassen. Die Drohung des Abts hatte er sicherlich verstanden.
    Vogelfrei, schoss es auch Ben durch den Kopf. Sie würden ihn mitleidlos und ohne Unterbrechung jagen, und zwar auf Befehl des Abts, dessen war er sich in diesem Moment sicher. Khelchos würde nicht ruhen, bis er Ben Akses abgeschlagenen Kopf auf einem Teller servieren könnte. Plötzlich wurde ihm bewusst, was der Abt unter Rache verstand; sie war nur vollkommen, wenn er Ben zuerst das Scheitern all seiner Pläne und Bemühungen aufzeigen konnte. Erst dann würde er ihn töten lassen, erst wenn Ben wusste, dass sein Opfer überflüssig gewesen war. Ohne fremde Hilfe war Akse verloren.
    »Schon gut, Junge, steh auf.« Ben beugte sich zu dem Knappen hinab und tat, als wolle er ihm aufhelfen. Dabei näherte er sich seinem Ohr und raunte ihm zu: »Verlies der Stürme.«
    Akse erhob sich und blickte Ben überrascht und dankbar in die Augen. Doch er sagte nichts, nickte nur ein letztes Mal und schwang sich aufs Pferd. Er schnalzte, stieß ihm die Fersen in die Seite und galoppierte durch die Nacht davon. Rasch verschwand er in der Dunkelheit. Weder sah noch hörte Ben irgendwelche Verfolger. Als die Huftritte in der Ferne verklungen waren, wurde er wieder in seine Zelle geführt.

MIT DEM WISSEN DES GERETTETEN
    S eit zwei Tagen beobachteten sie nun abwechselnd die Ruine, in der Aiphyron festgehalten wurde, doch noch immer wussten sie nicht, was zu tun war. Zu viele gut gerüstete Männer hielten sich dort auf, und stets waren sie wachsam.
    Während Nica mit Feuerschuppe dort kreiste, saßen Yanko und Anula im Sand des Thronsaals und wälzten wieder und wieder dieselben Fragen. Der Wachdrache umschwirrte wieder und wieder mit seinen zurückgewonnenen Flügeln den ausgestopften Kraken und warf ab und an ein kurzes Wort ein, selten ein hilfreiches. Vor zwei Tagen hatte er ihnen mitgeteilt, dass er Quobemhonn hieß, ihnen außerordentlich dankbar sei und fortan die hohe Festung bewachen und bis zum letzten Blutstropfen verteidigen werde. Seine lange Zeit als unterdrückter Wachdrache hatte wohl Spuren hinterlassen, er hatte der Händlerfamilie in Rhaconia fünf Generationen lang gedient.
    »Wir bekommen Besuch!«,
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