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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme
Autoren: Boris Koch
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musst du wohl einfach selbst entscheiden, was du tun willst.«
    »Was wir tun, haben wir doch längst entschieden«, knurrte Ben. Darum ging es ihm nicht, er wollte nur verstehen, warum er den Schiffbrüchigen und die Flasche nicht aus dem Kopf bekam. Warum er nicht schlafen konnte.
    »Selbst wenn es Schicksal wäre, dann wäre es nicht deines«, sagte Aiphyron. »Sondern das von Anula. Schließlich hat sie die Flasche gefunden.«
    »Aber damit wäre es auch meines«, sagte Ben und erhob sich wieder. Das war etwas, das Drachen nur schwer verstanden. Sie wurden aus der Welt heraus geboren, wuchsen in der Erde, im Fels, in Bäumen oder auf dem Grund des
Meeres heran. Sie hatten keine Eltern, kannten keine Liebe. Auch wenn sie sehr wohl wussten, was Freundschaft war, waren sie im Kern Einzelgänger.
    Zum Abschied strich er Aiphyron noch einmal über die Schnauze und schlich zurück zu Anula. Vorsichtig kuschelte er sich wieder an sie, und sie griff im Schlaf nach seinem Arm, hielt ihn fest. Und obwohl Aiphyron ihm noch mehr Gedanken in den Kopf gesetzt hatte, schlief Ben nun beinahe sofort ein.
    Kein einziger Albtraum plagte ihn in dieser Nacht.

VON INSEL ZU INSEL
    S icher, dass die Muschel nicht doch zu schwer ist?«, neckte Ben Aiphyron und schwang sich auf seinen Rücken, kaum dass die Sonne zwei Handbreit hoch am Himmel stand.
    Die Muschelelstern der Klippe gackerten laut und wild durcheinander, letzte Beschimpfungen der Eindringlinge zum Abschied. Eine leichte Brise wehte über das Meer herein, und das hieß, die Wellen stiegen ein wenig höher als gestern, ihre weißen Schaumkronen waren leichter zu sehen.
    »Wenn mir meine Last zu schwer wird, werf ich einfach überflüssigen Ballast runter«, entgegnete Aiphyron. »Dich wahrscheinlich. Ich weiß ja, dass die Muschel Anula gefällt, die bring ich schon heil ans Ziel.«
    »Danke.« Anula saß bereits auf den Schultern des moorschwarzen Marmaran und lachte. »Dann habe ich wenigstens ein letztes Andenken an den armen, in die Tiefe gestürzten Ben.«
    »Das könnt ihr vergessen. Wenn ich stürze, dann reiß ich die Muschel mit hinab.« Lachend klemmte Ben die Knie unter zwei Halsschuppen, um genügend Halt zu finden.
    »Wieso trage eigentlich ich Anulas Muschel?«, fragte Aiphyron und sah Marmaran an. »Sie sitzt immerhin auf deinem Rücken.«
    »Ich habe Ben überzeugt, ein Kavalier zu sein und das schwere Ding für seine Freundin zu tragen.«

    »Wie nobel von dir. Du lernst menschliches Verhalten erstaunlich schnell.« Aiphyron schnaubte und sprang in die Höhe, breitete die Schwingen aus und erhob sich mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft.
    Der Wind pfiff durch Bens kurzes Haar und ließ sein dünnes Hemd flattern, dessen Ärmel er weit hochgekrempelt hatte. Egal, wie oft Ben inzwischen schon geflogen war, jedes Mal fühlte er sich wieder frei und leicht und glücklich wie beim ersten Flug, nur dass ihm nicht mehr übel wurde von all dem Auf und Ab.
    Es war, als würde er alle schweren Gedanken und Ängste am Boden zurücklassen. Er konnte nicht anders, er schrie seine Freude gegen den Wind hinaus und hörte schwach die Rufe seiner Freunde, die hinter ihm verweht wurden. Dann beugte er sich vor und klammerte sich ganz an Aiphyron, um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten. Den Kopf hielt er dabei so, dass er aufs Meer hinabsehen konnte. Hell glitzerte die Sonne auf jedem Wellenkamm, darunter war das Wasser von einem tiefen Blau, durch das hie und da ein Schatten huschte. Ben konnte nur die grobe Richtung der Strömung erahnen, und nicht einmal dessen war er sicher. Endlos schien sich das Meer in alle Richtungen auszubreiten, von überall rollte es heran. Wie sollten sie hier dem Weg einer winzigen Flasche folgen?
    »Meinst du, der Wind ändert die Richtung der Wellen?«, rief er Aiphyron ins Ohr.
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Weißt du denn wenigstens, wo wir ungefähr hinmüssen? «
    »Ganz ungefähr. Aber Juri kennt sich mit Wasser viel besser aus.«

    Der am Wasser geborene Drache flog neben ihnen und hatte den Blick stur nach unten gerichtet. Nun zog er an ihnen vorbei, machte einen leichten Bogen nach links und hielt diese Richtung minutenlang bei. Dann stürzte er hinab, während die anderen die Höhe hielten, raste direkt über der Wasseroberfläche entlang, bis er plötzlich mit schlagenden Flügeln in der Luft verharrte und die hintere rechte Klaue ins Meer hielt, als wolle er die Temperatur prüfen.
    Oder den Verlauf der
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