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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme
Autoren: Boris Koch
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sie das schwere Metall wegen des hohen Gewichts auf alle Rucksäcke verteilt hatten, nicht nach Anteilen. »In deinem Kopf nistet
doch ein Schrumpfwurm! Außerdem hatte ich die Idee lange vor dir! Aber ich hab sie verworfen, weil …«
    »Du wolltest Schmuck für Nica machen?«, mischte sich da Anula ein, die mit Marmaran plötzlich über ihm auftauchte. Sie beugte sich tief über den Drachenhals hinab und klang gar nicht erfreut.
    »Nein! Nicht Nica, dir!«
    »Aha! Aber jetzt wirfst du das Blausilber doch lieber ins Meer? Gönnst du den Fischen wohl mehr als mir?«
    »Und was ist mit Nica?«, hakte Yanko nach. »Wenn du schon Anula …«
    »Ja, was ist mit mir?« Nica hatte ihren Namen gehört und mit Feuerschuppe aufgeschlossen.
    »Ben wirft gerade unseren Schmuck ins Meer«, erklärte Anula.
    »Was?«
    »Ich werfe Blausilber ins Meer! Blausilber, verdammt! Keinen Schmuck!« Wütend zerrte er noch einen Brocken aus dem Rucksack und schleuderte ihn hinab. »Daraus macht man keinen Schmuck, sondern Waffen, die die Schuppen von Drachen durchdringen können. Ich will nicht, dass das irgendwie dem Orden in die Hände fällt!«
    »Niemand von uns will dem Orden in die Hände fallen, weder mit noch ohne Schmuck.«
    »Trotzdem hatten sie uns alle schon gefangen! Wäre das Blausilber nicht bei den Drachen gewesen, wäre all das jetzt ein Schwert.«
    »Dann schmeißen wir es halt runter!«, brüllte Yanko und zerrte ein Stück Blausilber aus seinem Rucksack. Mit gespieltem Bedauern ließ er es in die Tiefe fallen. »Du wärst ein herrliches Diadem geworden.«

    »Der Gedanke zählt.« Nica lächelte Yanko an und kramte ebenfalls das Blausilber aus ihrem Ruchsack, um es ins Meer regnen zu lassen.
    »Und diese Gedanken sollten wir auf keinen Fall aus den Augen verlieren.« Auch Anula warf nun ihr Rohmetall hinab. »Auch ohne Blausilber.«
    »Auf dass der fieberköpfige Orden keine einzige neue Waffe in die Finger bekommt!«
    Ein Brocken nach dem anderen raste hinab, jeder wurde mit einem weiteren Fluch gegen den Orden begleitet. Schließlich drückten sie auch den Drachen Blausilber in die Klauen, das diese mit vergnügten Flüchen ins Meer schleuderten.
    »Danke«, sagte Aiphyron, als der letzte Krümel Blausilber vom Ozean geschluckt worden war.
    »Reiner Selbstschutz«, brummte Ben. »Ich dachte, ich mach das mal, bevor du doch noch mich zu Ballast erklärst.«
    »Ich sag euch was«, rief Yanko. »Der Schiffbrüchige ist bestimmt kein einfacher Seemann. Einfache Seemänner können nur selten schreiben, und schon gar nicht so sauber in der Linie und gleichmäßig. Also muss es doch der Kapitän oder ein reicher Händler oder ein gebildeter Erbe sein, der zum wohlhabenden Onkel in die Ferne geschickt wurde. Und wenn wir den heimbringen, dann überhäuft er uns vor Dankbarkeit mit Gold und Schmuck und …«
    »Und du sagst immer, ich sei derjenige, der zu viel redet?«, brummte Juri.
    »Willst du etwa …?«
    »Festhalten!«, knurrte Juri und ließ sich mit dem fluchenden Yanko in die Tiefe fallen, tastete mit den Klauen nach der Strömung und tauchte durch drei Wellen hindurch.
Bis nach oben konnte Ben Yanko schimpfen und prusten hören.
    Am Nachmittag sahen sie endlich eine kleine Insel vor sich auftauchen. Sie maß vielleicht eine halbe Meile im Durchmesser und war dicht bewachsen. Als sie näher kamen, erkannten sie zahlreiche weiße Vögel mit langen schwarzen Schnäbeln, die über den Wipfeln kreisten. Die meisten Bäume trugen dunkelgrüne, armlange Blätter, die übereinanderlappten und jede Sicht auf den Boden versperrten. Weder am schmalen Ufer noch im seichten Wasser davor waren die Überreste eines Schiffs auszumachen, nirgendwo stieg der Rauch eines Feuers auf, und auch nach anderen Spuren menschlichen Lebens hielten sie vergeblich Ausschau.
    »Ganz am Horizont ist noch eine andere Insel«, sagte Feuerschuppe.
    »Zwei«, korrigierte Marmaran. »Ein Stück weiter links ist die zweite.«
    Aiphyron brummte zustimmend. Keiner der Menschen konnte etwas erkennen.
    »Später.« Ben deutete hinab. »Erst sehen wir uns die an.«
    Im Sinkflug umkreisten sie die Insel, dann landeten sie auf einer Gruppe kahler Felsen am südlichen Ufer. Ein kleiner Krebs eilte über den dunklen Stein davon, die Vögel stießen kurze schrille Triller aus, und unweit der ersten Bäume lagen die Überreste einer drei Fuß langen Schildkröte in der Sonne, dem Geruch nach schon eine Weile. Ben konnte nicht glauben, dass ein hungernder
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