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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme
Autoren: Boris Koch
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Schiffbrüchiger so viel Fleisch ignorieren würde.
    »Hallo!«, brüllte Yanko in Richtung Bäume, die Hände als Trichter um den Mund gelegt.

    Unwillkürlich zuckte Ben zusammen.
    »Was tust du da?«, fragte Nica.
    »Ich rufe …«
    »Und wenn uns jemand anders hört? Nicht der Schiffbrüchige, sondern …«
    »Wer soll denn sonst hier sein? Meinst du, der Orden unterhält hier ein Kloster, und gleich brechen tausend schwer bewaffnete Ritter aus dem Gestrüpp, die uns seit Tagen auflauern? «
    »Natürlich nicht. Aber der Gedanke steckt einfach noch so drin …«
    Gedanke, dachte Ben. Sie sagte Gedanke, obwohl sie Angst meinte. Selbst auf diesem winzigen Eiland fern des Großtirdischen Reichs wurden sie den Orden nicht vollkommen los.
    Das Trällern der Vögel wurde lauter und schriller, doch niemand kam aus dem dichten Gehölz gestürmt, um mitgenommen zu werden.
    Nach einer Weile zückte Ben seinen Dolch, um selbst hineinzugehen.
    »Was tust du? Hier ist keiner.«
    »Wahrscheinlich. Aber vielleicht ist er angeschlagen oder schläft tief drinnen in einer Höhle, sodass er uns nicht hört.«
    »Ja, vielleicht.« Yanko klang nicht überzeugt.
    Dennoch griffen nun alle nach ihren Dolchen und Messern und folgten ihm. Niemand konnte wissen, welche wilden Tiere sich dort fanden. Schließlich krochen auch Feuerschuppe und Marmaran ins Unterholz, die Flügel eng an den Körper gepresst, und doch schabten sie rechts und links an Rinden und Ästen entlang, knickten einige von den Bäumen oder Büschen.
    Aiphyron und Juri überflogen derweil die Insel, ob sie von
oben nicht doch einen Hinweis auf einen Gestrandeten entdecken konnten. Immer wieder brüllten sie hinunter: »Hier kommt Rettung!«
    Und Yanko brüllte zurück: »Wir brauchen keine! Danke!«
    Zweimal durchquerten sie den Wald und stießen auf nichts Auffälliges außer einem halb zugewachsenen Loch im Boden, in das Ben beinahe gestürzt wäre. Eine drei oder vier Schritt durchmessende Höhle, die beinahe senkrecht wie ein Brunnen in die Tiefe führte. Sie sahen nichts als Schwärze und rochen abgestandene Luft.
    »Hallo!«
    Doch nichts als dumpfes Echo antwortete ihnen. Sollte ein Schiffbrüchiger hier hineingestürzt sein, wäre ihm nicht mehr zu helfen.
    In der Inselmitte stießen sie auf eine kleine Quelle, an der sie ihre Wasservorräte auffüllten. Doch auf menschliche Spuren stießen sie nicht. Wenn jemand hier gewesen war, hätte er sein Lager bestimmt am Wasser aufgeschlagen, oder am Strand, um gesehen zu werden. Auf diesem Stückchen Land befand sich niemand.
    »Wie viel weitere Inseln hattet ihr noch mal gesehen?«, fragte Anula, als sie wieder auf die Felsen am Ufer hinaustraten.
    »Zwei«, sagte Marmaran. »Aber dahinter war noch ein Schemen, der sich vielleicht noch als dritte herausstellt.«
    »Na, dann haben wir ja noch einiges vor uns. Lasst uns hier keine Zeit mehr vertrödeln.«
    Als die Sonne unterging, erreichten sie die zweite Insel, die größer war als die erste, bestimmt drei oder vier Meilen durchmaß und ebenfalls zum überwiegenden Teil von den
hohen Bäumen mit dem dichten, großblättrigen Laub bewachsen war. Auch diese umkreisten sie einmal, um den besten Ort für eine Landung zu finden, und auch diesmal konnten sie keine offensichtlichen Anzeichen menschlichen Lebens entdecken. Doch im Dämmerlicht konnte man leicht etwas übersehen.
    Der angesprochene Schemen am Horizont hatte sich tatsächlich als sogar zwei Inseln herausgestellt, die versetzt hintereinander lagen, und weit abseits ihrer Route, ganz im Westen, war auch noch einmal Land zu erahnen. Ben fragte sich, wie sie hier einen einzelnen verschollenen Menschen finden sollten, wenn sich die Inseln weiterhin so vermehrten.
    »Oder mehrere«, wandte Anula ein. »Wer sagt denn, dass nur einer überlebt hat?«
    »In Seemannsgeschichten und Abenteuern ist es immer einer«, murmelte Ben.
    Sie schlugen am Strand ein Nachtlager auf, im Dunkeln wollten sie nicht durch einen fremden Wald stolpern. Zum Glück gab es hier Sand, sodass sie nicht auf hartem Fels liegen mussten.
    Obwohl Ben wusste, dass die Drachen gut wachten, schlief er nur zögerlich ein, und auch Anula drehte sich immer wieder unruhig in seinem Arm hin und her. Die Wellen schwappten beruhigend ans Land, die Blätter rauschten friedlich und leise im Wind, doch dazwischen mischten sich immer wieder Geräusche, die er nicht einordnen konnte. Etwas, das wie ein tiefes Seufzen klang, ein Summen, ein Kreischen, das sich wie
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