Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verbotene Tal

Das verbotene Tal

Titel: Das verbotene Tal
Autoren: Doris Schroeder
Vom Netzwerk:
dann hatten Brunsons,
wie es hieß, zwei Brunnen gehabt, und es war durchaus möglich, daß man in einen
stürzte, wenn man achtlos auf dem Hof umherlief.
    „Und außerdem“, hatte Onkel Petrie
hinzugefügt, „braucht bloß der Sheriff einmal vorbeizukommen und dich beim widerrechtlichen
Betreten zu ertappen — dann müssen deine Eltern Strafe zahlen. An beiden Enden
des Brunson-Tales verkünden doch Schilder, daß es verboten ist, das Tal zu
betreten!“
    So also war das Gehöft, das nun seit
zwanzig Jahren leer stand, ein verbotener Ort für Timmy geworden, und lange
hatte der Junge überhaupt nicht mehr daran gedacht. Nun aber stand er hier,
noch dazu mit seinem Fernglas, durch das er das alte Haus aus sicherer
Entfernung betrachten konnte. Er kletterte ein Stück an dem Zaun hinauf und
klammerte sich mit dem Bein an den Pfosten. Dann beugte er sich vor, und nun
konnte er Haus und Stall gleichzeitig überschauen. Ohne Boomer und seine
Gespenstermärchen sah alles ganz trostlos und öde aus. Timmy richtete das
Fernrohr auf die Vordertür des Hauses. Sie war mit Brettern vernagelt, genau
wie beim letztenmal. Auch auf der Veranda war keinerlei Lebenszeichen zu
entdecken. Timmy schwenkte das Fernglas zum Stall hinüber. Die großen Tore
waren mit Vorhängeschlössern versehen. Die ganze Farm schien vollkommen
verlassen wie immer. Nur die großen Bäume auf dem Hof sahen anders aus als im
Herbst, sie waren von frischen, grünen Blättern bedeckt, die noch so winzig
waren, daß man durch die Äste hindurch direkt in den Hof schauen konnte. Aber
auch dort war nichts Besonderes zu sehen.
    Timmy setzte das Fernglas ab. Solch ein
Glas war ja ganz schön, aber wenn es nichts Interessantes dadurch zu beobachten
gab, war es nicht gerade aufregend. Lassie bemerkte, daß der Junge vom Zaun
steigen wollte. Bellend lief sie zum Essenkorb und packte den Griff mit den
Zähnen. Sie hätte ihre Meinung, daß es höchste Zeit fürs Mittagessen war, nicht
deutlicher zum Ausdruck bringen können.
    „Ein guter Gedanke, Lassie!“ stimmte
der Junge zu.
    Sie setzten sich in den Schatten einer
Eiche und aßen. Danach streckten sich beide zu einem geruhsamen Schläfchen ins
Gras. Timmy hörte noch, wie die Bienen ihn umsummten. Manchmal kam eine ganz
nahe an ihm vorbei, aber er kümmerte sich nicht darum. Solange er nicht nach
ihnen schlug, taten sie ihm ja nichts. Und schon schlummerte er... Lassie aber
schlief nicht so fest ein. Sie lag ganz ruhig, blieb jedoch wachsam und ließ
die Nase auf Timmys Knöchel ruhen.
    Plötzlich hob sie den Kopf, spitzte die
langen Seidenohren und lauschte. Leise begann sie zu grollen. Dann lag sie
wieder ganz still und lauschte erneut. Endlich stand sie langsam auf, hielt den
Kopf hoch und wartete... Nur ein ganz leises Geräusch war es gewesen, das der
Collie gehört hatte, der ferne Laut von Metall, das auf einen Stein schlug.
Aber es war ein Laut, der von Menschen stammte, und das genügte, um sie auf der
Hut sein zu lassen. Langsam schlich sie zu dem alten Zaun, stellte sich auf die
Hinterbeine und legte die Vorderpfoten aufs Geländer. Und während sie
aufmerksam zu dem alten Bauernhaus hinunterschaute, wurde das Grollen in ihrer
Kehle lauter, und drohend sträubten sich die Haare in ihrem Nacken.
    Da schlurfte doch eine Gestalt über den
Hof, und sie trug einen Blecheimer in der Hand! Ein alter, bärtiger Mann war es
in einem verwaschenen Drillichanzug. Unsicher bewegte er sich auf den steingefaßten
Brunnen in der Ecke des Hofes unter den Ahornbäumen zu, der mit zwei schweren
Planken zugedeckt war. Nun stellte der Alte den Eimer fort und schob und stieß
an den Planken, um sie vom Brunnen herunterzubekommen. Erst schien das über
seine Kraft zu gehen, aber endlich gelang es ihm doch, die Planken beiseite zu
schieben und auf den Boden zu werfen. Er ruhte sich ein wenig aus und lehnte
sich auf den Brunnenrand, als müsse er erst wieder zu Atem kommen. Dann ließ er
den Eimer an einem Strick vorsichtig in den Brunnenschacht hinunter. Dabei
beugte er sich weit vor.
    Da bellte Lassie unvermutet hell auf,
und mit einem Ruck fuhr Timmy aus dem Schlaf. Verblüfft schaute sich der alte
Mann nach der Herkunft des Bellens um. Dabei entglitt das Seil seinen Fingern,
hastig griff er danach, fehlte und — stürzte kopfüber in den Brunnen. Sein
erschrockener Schrei endete in lautem Platschen.
    Timmy oben auf dem Berg hatte den
Schrei vernommen. Hurtig sprang er auf und rannte zum Zaun. Aber Lassie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher