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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz
Autoren: Oliver Bottini
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Gretzki tippte auf DDR -Herkunft. Eher Kripo oder Verfassungsschutz als BND , sagte er, da hielt man bisweilen noch etwas auf sich.
    Mike überlegte, wie eine Berliner Behörde – welche auch immer – ins Spiel gekommen war. Genügten zwei kurze Telefonate ohne jeglichen Vorlauf, um einen Kontakt herzustellen und eine Verabredung zu treffen?
    Gretzki schien seine Gedanken erraten zu haben. »Die wissen nicht, dass wir da sind. Sie sind an ihr dran, nicht an uns.«
    »Wo sind sie jetzt?«
    Gretzki wies auf einen blauen Audi, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite nahe der Souterrainwohnung parkte. Die Insassen waren im Regen kaum zu erkennen. Zwei Schemen, Fahrer und Beifahrer, einer hielt eine Zeitung.
    »Dieselben wie letzte Nacht?«
    »Nein, zwei Frische. Die Gewerkschaft achtet auf ausreichend Schlaf.«
    Mike lächelte höflich.
    Vor dem Café ging der Alte auf und ab, die Hände auf dem Rücken, der Hund folgte ihm. »Kein Tag in dieser Stadt ohne Bekloppte«, murmelte Gretzki. »In Freiburg studieren sie, dann kommen sie nach Berlin und werden bekloppt.«
    In diesem Moment trat Esther vor das Hotel, Kopf und Schultern von einem leuchtend gelben Regenschirm mit der Aufschrift GOSOLAR verdeckt. Sie hielt den Schirm schräg, um nach dem Taxi Ausschau halten zu können. Ihre Haare waren zu einem Zopf gebunden, Strähnen hatten sich gelöst, die an ihrer Stirn klebten. Sie war blass und wirkte noch unruhiger als sonst.
    »Willst du, dass wir eingreifen, wenn sie jemanden trifft?«, fragte Gretzki.
    »Nein.«
    »Wir können sie ohne Probleme für ein paar Tage verschwinden lassen. Dann taucht sie am Kottbusser Tor wieder auf, bei den Junkies, und die Junkies sagen jedem, der fragt, dass sie eine Weile mit ihnen unterwegs war, und weil sie noch ein bisschen Heroin im Blut … «
    »Nein«, unterbrach Mike. »Es reicht, wenn wir wissen, wen sie trifft.« Zum ersten Mal fragte er sich, ob Esther in
Gefahr war. Vielleicht hatte er die Interessen der Auftraggeber falsch eingeschätzt. Gretzki mochte nicht der Einzige sein, der sie für ein paar Tage verschwinden lassen würde. Und viele Menschen waren aus geringeren Anlässen getötet worden.
    Das Taxi kam. Esther wollte vorn einsteigen, Gretzki sagte: »Vorn liegt die Stulle.« Mike sah den Taxifahrer gestikulieren, hastig trat Esther zur Fondtür. Gretzki kicherte.
    Sie fuhren im Konvoi, das Taxi, der Audi, Gretzki und er.
     
    Gretzkis Berliner Netze funktionierten, keine zehn Minuten später kam der Anruf. Er nahm das Handy aus der Freisprecheinrichtung und hielt es sich ans Ohr.
    Sie standen an einer Ampel vor dem Großen Stern, das Taxi und der Audi waren von anderen Wagen verdeckt. Die Siegessäule, die im Sonnenlicht so glänzen konnte, ragte matt in den Himmel. Mike dachte daran, dass die Berliner die Säule »Goldelse« nannten und den Kurfürstendamm »Ku’damm« und die Kongresshalle »Schwangere Auster«, und was das über sie aussagte. Bezeichnungen, die zugleich zärtlich und verächtlich klangen.
    »Sieh an«, sagte Gretzki ins Telefon.
    Die Ampel schaltete auf Grün. Esthers Taxi hielt sich in Richtung Norden, der blaue Audi folgte. Auf der Nebenspur schräg dahinter in einem Kleinwagen ein Fahrer, der Mike vage bekannt vorkam. Gretzkis Reptilienmann.
    Dann war das Telefonat beendet.
    »Wir hatten recht«, sagte Gretzki, während er eine Zigarette aus der Schachtel fingerte. »Verfassungsschutz Berlin. Baden-Württemberg hat um Unterstützung gebeten.«
    Mike nickte. Das änderte alles. »Hast du noch mehr?«
    Gretzki stieß den Rauch aus. »Die Namen der Fahnder. Und eine Kopie der Anfrage aus Baden-Württemberg.«
    »Die brauche ich.«
    »Viel steht nicht drauf.«
    »Seit wann sie an ihr dran sind?«
    »Nein.«
    »Kannst du mir die Observierungsprotokolle besorgen?«
    »Geht alles Montag oder Dienstag an dich raus.«
    »Und das Gesprächsprotokoll, falls es doch ein Gespräch gibt.«
    Sie fuhren jetzt in östlicher Richtung, passierten eine Kreuzung mit dem Hinweisschild MITTE . Gretzki hatte die Stirn gerunzelt, schien über mögliche Ziele nachzudenken. Aber dann sagte er: »Überleg dir das mit den Junkies, Mike.«
    »Nein, das ist keine Option.«
    Die kühlen Augen lagen auf ihm, und Mike ahnte plötzlich, dass Gretzki alles wusste, was es über ihn und Esther zu wissen gab.
     
    Wenig später bog das Taxi in einen Komplex aus roten Backsteingebäuden ein und hielt, und Gretzki hielt ebenfalls und sagte: »Sieh mal an.« Er wies auf die
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