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Das Urteil

Titel: Das Urteil
Autoren: John Grisham
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Frage der Haftbarkeit abzustimmen. Nicholas formulierte sie in einer auch für Laien verständlichen Form: »Sind Sie der Ansicht, daß Pynex für den Tod von Jacob Wood verantwortlich ist?«
    Rikki Coleman, Millie Dupree, Loreen Duke und Angel Weese sagten entschieden ja. Lonnie, Philip Savelle und Mrs. Gladys Card sagten nein, keinesfalls. Die übrigen lagen irgendwo dazwischen. Der Pudel war unsicher, neigte aber zu nein. Jerry war plötzlich unentschlossen, neigte aber vermutlich gleichfalls zu nein. Shine Royce, das jüngste Mitglied der Jury, hatte den ganzen Tag über keine drei Worte von sich gegeben und ließ sich einfach im Wind treiben. Er würde auf den Wagen aufspringen, auf dem die Musik spielte, sobald er ihn erkennen konnte. Henry Vu behauptete, noch unentschlossen zu sein, wartete aber im Grunde nur auf Nicholas, der seinerseits wartete, bis sich alle anderen geäußert hatten. Er war enttäuscht, daß die Geschworenen so geteilter Meinung waren.
    »Ich finde, es ist Zeit, daß Sie jetzt mit der Sprache herausrücken«, sagte Lonnie, dem nach Streit zumute war, zu Nicholas.
    »Ja, lassen Sie hören«, sagte Rikki, gleichfalls diskussionsbereit. Aller Augen ruhten auf dem Obmann.
    »Okay«, sagte er, und im Zimmer wurde es totenstill. Nach Jahren der Planung lief jetzt alles hierauf hinaus. Er wählte seine Worte sorgfältig, aber in Gedanken hatte er die Ansprache bereits tausendmal gehalten. »Ich bin überzeugt, daß Zigaretten gefährlich und tödlich sind; sie kosten jährlich vierhunderttausend Menschen das Leben; sie werden mit Nikotin angereichert von ihren Herstellern, die seit langem wissen, daß das Zeug süchtig macht; sie könnten wesentlich harmloser sein, wenn die Konzerne es wollten, aber dann müßte der Nikotingehalt reduziert werden, und damit ginge der Umsatz zurück. Ich glaube, daß Zigaretten Jacob Wood umgebracht haben, und das wird keiner von Ihnen bestreiten. Ich bin überzeugt, daß die Tabakkonzerne lügen und betrügen und die Konsumenten hinters Licht führen und alles tun, was in ihrer Macht steht, um Jugendliche zum Rauchen zu verführen. Sie sind eine Bande von skrupellosen Schweinehunden, und ich sage, wir sollten es ihnen heimzahlen.«
    »Ganz meine Meinung«, sagte Henry Vu.
    Rikki und Millie hätten am liebsten geklatscht.
    »Sie wollen eine Geldstrafe?« fragte Jerry ungläubig.
    »Das Urteil ist sinnlos, wenn es nicht weh tut, Jerry. Die Geldstrafe muß gewaltig sein. Ein Urteil, das sich auf Schadensersatz beschränkt, bedeutet nur, daß wir nicht den Mut haben, die Tabakindustrie für ihre Sünden zu bestrafen.«
    »Wir müssen dafür sorgen, daß es weh tut«, sagte Shine Royce, aber nur, weil er sich intelligent anhören wollte. Er hatte den Wagen gefunden, auf dem die Musik spielte.
    Lonnie sah Shine und Vu fassungslos an. Er zählte rasch sieben Stimmen für die Anklage. »Sie können nicht über Geld reden, weil Sie Ihre Stimmen noch nicht beisammen haben.«
    »Es sind nicht meine Stimmen«, sagte Nicholas.
    »Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen«, sagte er bitter. »Das ist Ihr Urteil.«
    Sie stimmten noch einmal ab - sieben für die Anklage, drei für die Verteidigung. Jerry und der Pudel hingen in der Luft, suchten aber nach einem Landeplatz. Dann brachte Mrs. Gladys Card die Rechnung ins Schwanken, indem sie sagte: »Ich möchte nicht für die Tabakkonzerne stimmen, aber gleichzeitig widerstrebt es mir, Celeste Wood all das Geld zukommen zu lassen.«
    »Wieviel Geld würden Sie ihr geben?« fragte Nicholas.
    Sie war verwirrt und aufgeregt. »Ich weiß es einfach nicht. Ich würde dafür stimmen, ihr etwas zu geben, aber - also, ich weiß es nicht.«
    »An wieviel denken Sie?« fragte Rikki den Obmann, und im Zimmer wurde es abermals still.
    »Eine Milliarde«, sagte Nicholas, ohne eine Miene zu verziehen. Es war, als wäre mitten auf dem Tisch eine Sprengbombe gelandet. Münder öffneten sich, Augen traten hervor.
    Bevor jemand etwas sagen konnte, lieferte Nicholas eine Erklärung. »Wenn es uns ernst damit ist, der Tabakindustrie eine Botschaft zukommen zu lassen, dann müssen wir sie schockieren. Unser Urteil sollte Geschichte machen. Es sollte berühmt sein und von heute ab als der Moment gelten, in dem die amerikanische Öffentlichkeit, vertreten durch ihr Geschworenensystem, endlich gegen die Tabakindustrie zu Felde gezogen ist und gesagt hat: Jetzt reicht es.‹«
    »Sie haben den Verstand verloren«, sagte Lonnie, und in diesem
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