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Das Urteil

Titel: Das Urteil
Autoren: John Grisham
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die Toilette zu gehen. Lou Dell, Willis und Chuck bewachten die Tür.
    Mrs. Gladys Card hatte früher in der neunten Klasse Biologie unterrichtet. Sie hatte ein Gespür für Wissenschaft. Sie leistete hervorragende Arbeit beim Sezieren von Dr. Robert Bronskys Bericht über die Zusammensetzung von Zigarettenrauch - die mehr als viertausend Bestandteile, die sechzehn bekannten Karzinogene, die vierzehn Alkalien, die Reizstoffe und all das andere Zeug. Sie bediente sich ihrer besten Klassenzimmer-Aussprache und ließ den Blick von einem Gesicht zum anderen wandern.
    Die meisten Gesichter verzogen sich, während sie immer weiter redete und redete.
    Als sie geendet hatte, dankte ihr Nicholas, noch wach, herzlich und stand auf, um sich noch einen Kaffee zu holen.
    »Und was halten Sie davon?« fragte Lonnie. Er stand am Fenster, mit dem Rücken zum Zimmer, aß Erdnüsse und hielt eine Cola in der Hand.
    »Für mich beweist das, daß Zigaretten ziemlich schädlich sind«, erwiderte sie.
    Lonnie drehte sich um und sah sie an. »Richtig. Ich dachte, darüber wären wir uns bereits einig.« Dann sah er Nicholas an. »Ich meine, wir sollten jetzt endlich abstimmen. Wir haben jetzt seit fast drei Stunden gelesen, und wenn der Richter mich fragt, ob ich mir den ganzen Kram angesehen habe, dann werde ich sagen »Natürlich. Habe jedes Wort gelesen‹.«
    »Tun Sie, was Sie tun möchten, Lonnie«, entgegnete Nicholas.
    »Also gut. Laßt uns abstimmen.«
    »Worüber abstimmen?« fragte Nicholas. Die beiden standen sich jetzt an entgegengesetzten Enden des Tisches gegenüber, mit den sitzenden Geschworenen zwischen sich.
    »Laßt uns sehen, wer wo steht. Ich fange an.«
    »Okay. Lassen Sie hören.«
    Lonnie holte tief Luft, und alle drehten sich zu ihm um.
    »Meine Position ist ganz einfach. Ich halte Zigaretten für gefährliche Produkte. Sie machen süchtig. Sie sind tödlich. Deshalb lasse ich die Finger davon. Das wissen alle, wir haben sogar bereits darüber abgestimmt. Aber ich glaube, daß jeder Mensch das Recht auf freie Entscheidung hat. Niemand kann einen zum Rauchen zwingen, aber wenn man es tut, dann muß man auch die Konsequenzen tragen. Man kann nicht dreißig Jahre qualmen wie ein Schlot und dann von mir verlangen, daß ich jemanden reich mache. Mit diesen verrückten Prozessen muß Schluß sein.«
    Seine Stimme war laut, und jedes Wort wurde absorbiert.
    »Sind Sie fertig?« fragte Nicholas.
    »Ja.«
    »Wer ist der nächste?«
    »Ich habe eine Frage«, sagte Mrs. Gladys Card. »Wieviel Geld sollen wir der Klägerin eigentlich zusprechen? Mr. Rohr hat das irgendwie offen gelassen.«
    »Er möchte zwei Millionen als direkten Schadensersatz. Über die Höhe der Geldstrafe müssen wir entscheiden«, erklärte Nicholas.
    »Weshalb hat er dann achthundert Millionen auf die Tafel geschrieben?«
    »Weil er gern achthundert Millionen kassieren würde«, entgegnete Lonnie. »Haben Sie vor, sie ihm zu geben?«
    »Ich glaube nicht«, sagte sie. »Ich habe gar nicht gewußt, daß es soviel Geld auf der Welt gibt. Würde Celeste Wood alles bekommen?«
    »Haben Sie all die Anwälte da draußen gesehen?« fragte Lonnie sarkastisch. »Sie muß schon sehr viel Glück haben, wenn sie überhaupt etwas bekommt. Bei diesem Prozeß geht es nicht um sie oder ihren toten Mann. Bei diesem Prozeß geht es darum, daß ein Haufen Anwälte mit dem Verklagen von Tabakkonzernen reich werden will. Wir wären blöd, wenn wir darauf hereinfallen würden.«
    »Wissen Sie, wann ich mit dem Rauchen angefangen habe?« fragte Angel Weese Lonnie, der immer noch stand.
    »Nein, das weiß ich nicht.«
    »Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Ich war dreizehn, und ich sah diese große Reklametafel an der Dekatur Street, nicht weit von unserem Haus entfernt, und darauf war dieser große, schlanke Schwarze, er sah wirklich gut aus, hatte seine Jeans aufgekrempelt, spritzte an einem Strand mit Wasser, Zigarette in der einen Hand und einen tollen schwarzen Feger auf dem Rücken. Strahlendes Lächeln. Perfekte Zähne, Salem Menthol. Was für eine großartige Sache, dachte ich. So sieht das gute Leben aus. Davon möchte ich auch etwas abhaben. Also ging ich nach Hause, holte mein Geld aus der Schublade, ging die Straße hinunter und kaufte mir eine Schachtel Salem Menthol. Meine Freunde und Freundinnen fanden mich mächtig cool, also rauche ich seitdem immer diese Marke.« Sie schwieg einen Moment und sah Loreen Duke und dann wieder Lonnie an. »Versuchen Sie
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