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Das Turnier

Das Turnier

Titel: Das Turnier
Autoren: Anu Stohner
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zu sehr in Gedanken, jedenfalls machte ich nicht rechtzeitig die Augen zu. So sah ich den dritten Zusammenstoß des Schwarzen und des Weißen Ritters. Ich schwöre, die hob es beide einen Meter aus dem Sattel, als die Lanzen auf die Schilde krachten. Aber es war, als wären die Reiter mit unsichtbaren Bändern an ihren Pferden festgebunden. Sie flogen in die Luft und landeten trotzdem wieder im Sattel.
    Um es kurz zu machen: Sie ritten noch viermal gegeneinander, und erst beim vorletzten Mal sah ich einen kleinen Unterschied: Der Weiße flogein Stück höher aus dem Sattel, und bei der Landung wackelte er kurz. War das ein Zeichen? Die Zuschauer glaubten das wohl, denn mir schien, die mit den schwarzen Fähnchen und Tüchern jubelten plötzlich lauter als die mit den weißen.
    War das jetzt ein gutes Zeichen? Ich hoffte es, aber dann sah ich Wuschel. Er stand immer noch aufrecht an der Balustrade, aber er fiepte nicht mehr. Er hatte genauso gebannt den Kämpfern zugeschaut wie alle anderen. Bis jetzt. Denn als die Kämpfer zum siebten Mal losdonnerten, steckte er den Kopf zwischen die Vorderpfoten, als wollte er nichts mehr hören und sehen. Ahnte er was? Wuschel, der Wunderhund? Ich hielt den Atem an und riss die Augen auf.
    Die Kämpfer kamen angedonnert, von links der Weiße Ritter und von rechts der Schwarze. Es tat einen ungeheuren Schlag, als die Lanzen auf die Schilde krachten, und sie flogen beide in die Luft. Hoch! So hoch wie vorher noch nie! Der Schwarze landete trotzdem wieder im Sattel. Aber der Weiße nicht. Er überschlug sich hoch über seinem Pferd, und als er landen wollte, war das Pferd schon weg. Der Weiße Ritter landete im Staub. Er hatte den Kampf verloren.
    Den Jubel, der jetzt losbrach, könnt ihr euchnicht vorstellen. Oder doch: wenn ihr schon mal im Dortmunder Stadion wart, wenn sie dort gegen die Bayern gewonnen haben. Es war unbeschreiblich. Die Menschen tobten, warfen ihre Mützen oder was sie sonst zum Werfen hatten in die Luft und lagen sich in den Armen. Natürlich nur die, die zum Schwarzen Ritter hielten, aber das waren komischerweise alle.
    Ich weiß noch, dass ich es schade fand, dass man Kapuzen nicht in die Luft werfen kann, als etwas passierte, womit ich nicht gerechnet hatte. Darum konnte ich es auch nicht verhindern. Wuschel sprang mit einem Riesensatz über die Balustrade und setzte sich neben den Weißen Ritter, der nur ein paar Schritte vor uns lag und sich nicht rührte.
    Ich schaute Robert an, aber der verstand genauso wenig, was Wuschel dort wollte, wie ich.

Das siebenundzwanzigste Kapitel, in dem zwei der größten Geheimnisse der Ritterzeit gelüftet werden
    (Und Wuschel ist daran schuld!)
    »Hierher, Wuschel!«, rief Robert.
    »Komm zurück!«, rief ich.
    Aber Wuschel rührte sich nicht. Er saß da wie eine Statue. Und jetzt kam der weiße Herold gelaufen, wahrscheinlich weil er seinem Meister auf helfen wollte. Das war wohl auch der Augenblick, als die ersten jubelnden Zuschauer merkten, dass da was vor sich ging. Erst wurde der Jubel leiser, dann wurde es still. Der Herold war jetzt beim Weißen Ritter angekommen. Offenbar dachte er, er könnte das seltsame Tier neben seinem Meister mit einem Wedeln der Hand verscheuchen.
    »Husch, weg da!«, hörte ich ihn sagen. Dazu machte er die Wedelbewegung in Wuschels Richtung.
    Da hättet ihr Wuschel sehen sollen. Oder nein: hören! Es gab nämlich nichts zu sehen. Wuschel legte nicht mal den Kopf in den Nacken oder so. Er legte nur los. Mit dem schlimmsten Knurren,das ich je von ihm gehört habe. Es war noch hundertmal schlimmer als das in der Nacht, mit dem er die weißen Fieslinge in ihr Zelt zurückgescheucht hatte. Und ihr wisst, wie sein Knurren klingt: wie Drachengeheul. Jetzt klang es, als würde ein hundertköpf iger Drache mit allen Köpfen auf einmal heulen.
    »HAAARRRRRGGGHHHRRRRR …!!!«
    Habt ihr schon mal jemanden schrumpfen sehen? Habt ihr gesehen, wie jemand gerade noch ganz normal aussieht, und Sekunden später denkt man, er ist nur ein Gartenzwerg? So war es jetzt bei dem weißen Herold. Er war bestimmt noch so groß wie vorher, aber er sah aus, als wäre er geschrumpft. Und er zitterte am ganzen Leib.
    »HAAARRRRRGGGHHHRRRRR …!!!«
    Ich weiß nicht, ob Wuschel noch mal hätte knurren müssen, aber er machte es, und er ist schließlich der Wunderhund. Er wird gewusst haben, warum.
    Der Herold sah jetzt aus wie ein Gänseblümchen im Gewittersturm. Man sah, dass er weglaufen wollte, aber es nicht
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