Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Turnier

Das Turnier

Titel: Das Turnier
Autoren: Anu Stohner
Vom Netzwerk:
fiel einer schon beim ersten Gang. Manchmal fiel keiner, und es zerbrachen nur die Lanzen, dass man in Deckung gehen musste, wenn die Splitter gef logen kamen. Manchmal stocherten die Kämpfer auch nur aneinander vorbei, dann buhte das Publikum. Das war wahrscheinlich, wie wenn Fußballer dauernd übers Tor ballern oder Boxer nur Löcher in die Luft hauen statt dem Gegner ordentlich auf die Birne.
    Ich hoffte bald, dass schon beim ersten Gang einer aus dem Sattel flog. Und am schönsten war es, wenn einer erst mal liegen blieb und sich nicht mehr rührte, weil Irmtraud sich dann an mich drückte, weil sie sich um den Armen Sorgen machte. Das war süß, aber wirklich nötig war es nicht. Die Ritter waren hart im Nehmen und standen alle wieder auf.
    Den ganzen Vormittag ging das so: Manfred von Winterlingen gegen Peter von Eimsbüttel,Reinhard von Uff ing gegen Dieter von Harburg – keine Ahnung, wie die alle hießen und wer gegen wen gewann. Jedenfalls waren am Ende nur noch der Weiße und der Schwarze Ritter übrig. Die beiden hatten alle ihre Gegner spielend leicht im ersten Gang besiegt. Es war, als stießen sie Pappf iguren vom Pferd und nicht leibhaftige Ritter, die doch bestimmt alle ihr Handwerk verstanden.
    Irmtraud war ganz aus dem Häuschen, wenn der Schwarze gewann, aber wenn seine Gegner dann im Staub lagen, drückte sie sich trotzdem an mich. Wenn ihr wollt, könnte ihr ja versuchen, ob ihr das versteht. Ich verstand es nicht und war nur froh, dass die Lanzen des Schwarzen hielten. Dann konnte immer noch mit der Lanze für den letzten Kampf was faul sein, aber vielleicht nahm er ja gar keine neue dafür. Jedenfalls musste man sich darüber keine richtig großen Sorgen mehr machen. Sorgen musste man sich nur machen, ob der Schwarze gegen den fiesen Weißen überhaupt eine Chance hatte. Denn hundertprozentig fit war der, da gab es keinen Zweifel.
    Ich weiß nicht, warum, aber ich hatte beim Gedanken an den entscheidenden Kampf kein gutes Gefühl. Vielleicht war es wegen Wuschel. Der stand die ganze Zeit mit den Vorderpfotenauf der Balustrade aufrecht da, als gäbe es nichts Spannenderes auf der Welt als solche Ritterkämpfe. Das fand ich schon komisch, weil er ja eigentlich Fußballfan ist. Aber okay: Robert jubelte ja auch bei jedem Sturz in den Staub, als hätte Dortmund ein Tor gegen die Bayern geschossen. (Falls es jemanden interessiert: Wir sind alle drei Dortmundfans.)
    Das noch Komischere war aber, dass er (Wuschel jetzt) beim Weißen Ritter jedes Mal böse geknurrt und beim Schwarzen Ritter ganz merkwürdig gef iept hatte, wie ein kleiner Welpe, wenn er seine Mutter sucht und ganz verzweifelt ist, dass er sie nicht findet. So was hatte ich von ihm noch nie gehört, und wahrscheinlich hatte es außer mir auch niemand bemerkt bei all dem Gejubel und Gejohle. Aber mir gab es zu denken. Hatte Wuschel Angst um den Schwarzen Ritter? Der Wunderhund mit Ahnungen? Ich überlegte, ob ich mit jemandem darüber reden sollte, und beschloss, es nicht zu tun. Warum sollte ich die Freunde nervös machen, wenn wir doch nichts unternehmen konnten?
    Der Endkampf zwischen dem Schwarzen und dem Weißen Ritter sollte am Nachmittag stattf inden. Jetzt war erst mal Pause.
    »Und?«, fragte Kuno. »Hat’s euch gefallen?«
    »Toll!«, sagte Robert.
    »Doch«, sagte ich.
    Dann plapperten zum Glück die Zwillinge los, und ich musste es nicht genauer erklären.
    »Mann, hab ich einen Hunger!«, sagte Rigobert.
    »So ein Turnier macht hungrig«, widersprach ihm Dagobert komischerweise nicht.
    »Vielleicht gibt’s Dampfnudeln«, sagte Irmtraud.
    Ihre Witze gef ielen mir immer besser.
    »Oder Rollmops«, sagte Ingrid.
    Ihre Witze waren aber auch nicht schlecht.
    Nur Rigobert und Dagobert konnten darüber nicht lachen. Sie schmollten auch noch beim Essen, zu dem wir uns kurz darauf in Kunos Schlepptau im Rittersaal einfanden. Es waren viele Gäste da, aber es gab trotzdem keine Dampfnudeln und auch keine Rollmöpse, nur wieder Brot mit brauner Soße.
    Und miese Stimmung gab’s noch dazu. Sogar obermiese. Aber nicht, weil die Zwillinge beleidigt waren. Es gab Zoff, weil die Burgherrin bemerkt hatte, dass nachts in der Burg ein paar junge Herrschaften fehlten. »Junge Herrschaften« sagte sie, aber sie meinte vor allem die Mädchen. Dachte ich.
    »Wir sprechen uns nach dem Essen, Fräuleinchen!«, sagte sie, nachdem sie die beiden erst eine Weile stumm über den Teller angeblitzt hatte.
    Den Blick und das Wort »Fräuleinchen«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher