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Das Turnier

Das Turnier

Titel: Das Turnier
Autoren: Anu Stohner
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Hand. Wenn die letzte Nacht sonst nichts Gutes gehabt hatte, war wenigstens Ingrid von ihrer Krankheit geheilt. (Und falls es jemanden interessiert, ob mir Irmtrauds Fähnchen was ausmachte: Nö. Sie schwärmte für den Schwarzen Ritter, okay. Aber mit wem war sie zusammen: Mit mir!)
    Jetzt rief der Herold die Kämpfer auf, und wir lehnten uns über die Balustrade, um zu sehen, wie sie Aufstellung nahmen. Wir sahen links den Weißen Ritter auf seinem blendend weißen Pferd und rechts – rechts sahen wir erst mal nichts. Keinen Schwarzen Ritter. Nicht mal sein Pferd. Die Zuschauer links und rechts reckten die Hälse, und man musste selbst den Hals noch länger recken, aber auf der rechten Seite sah man trotzdem nichts. Die Leute wurden unruhig. Ein Gemurmelerhob sich. Was war da los? Kam der Schwarze Ritter nicht? Das konnte man sich nicht vorstellen. Niemals würde einer wie er kneifen, nicht mal vor dem fürchterlichen Weißen Ritter. Gerade vor dem nicht!
    Das Gemurmel wurde lauter, und die Leute schauten zur Tribüne, ob man dort vielleicht schlauer war. Der Burgherr würde doch als Erster erfahren, wenn mit einem der Kämpfer was nicht stimmte. Aber der Burgherr war gar nicht an seinem Platz! Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Das Gemurmel klang jetzt dumpf und schwer, wie ein Gewittergrollen, kurz bevor die ersten Blitze zucken. Dann schwoll es langsam wieder ab.
    »Der Burgherr sieht nach dem Rechten«, hieß es um uns herum. »Sie haben ihn gerufen, dass er dem Schwarzen Ritter gut zuredet.«
    »Unsinn!«, sagten andere. »Dem Schwarzen Ritter muss doch keiner zureden.«
    »Vielleicht lahmt sein Pferd, und der Burgherr leiht ihm eins von seinen eigenen.«
    »Oder es ist was mit seiner Lanze …«
    Mir lief es eiskalt über den Rücken. War es dem fiesen Weißen doch gelungen, irgendwas zu tricksen? Ich schaute Robert an, aber der zuckteauch nur die Achseln. Und ausgerechnet jetzt fing Wuschel wieder an zu fiepen. Und diesmal war kein solches Spektakel, dass ihn niemand hörte. Er stand aufrecht, mit den Vorderpfoten auf der Balustrade, und alle schauten zu ihm her. Man sah, was sie dachten: Was ist denn mit dem Köter los? Wer bringt überhaupt so ein Tier mit zum Turnier?
    Ich gab Wuschel einen Schubs, dass er sich wenigstens hinsetzen sollte, aber er dachte nicht daran. Auch Robert versuchte es, aber es hatte alles keinen Zweck.
    Und da plötzlich brandete wieder Beifall auf. Ich kippte fast in die Kampf bahn, so weit schmiss ich mich über die Balustrade, um nach rechts zu schauen. Da war er endlich: der Schwarze Ritter auf seinem tänzelnden rabenschwarzen Pferd!
    Er hob grüßend die Hand und senkte die Lanze. Wir schauten nach links und sahen, dass der Weiße Ritter dasselbe tat.
    Der Herold gab das Kommando.
    Die Pferde donnerten los.
    Der Kampf begann.

Das sechsundzwanzigste Kapitel, in dem der Kampf Gut gegen Böse entschieden wird
    (Und es kann kein Elfmeterschießen geben!)
    Der Weiße Ritter kam von links, der Schwarze kam von rechts, und genau vor uns krachten sie zusammen. Die Lanze des Weißen Ritters traf den Schild des Schwarzen, und die Lanze des Schwarzen Ritters traf den Schild des Weißen. Es gab einen Mörderrums, aber sie blieben beide im Sattel.
    Die Zuschauer jubelten und schwenkten die Fähnchen und Tücher wie verrückt, aber klar, die freuten sich, dass sie noch mehr zu sehen kriegten. Es war genau wie beim Fußball, wenn sich bei einem tollen Spiel alle über eine Verlängerung freuen. Nur ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte. Klar, der Schwarze Ritter hatte nicht verloren, und seine Lanze hatte gehalten. Aber er hatte auch noch nicht gewonnen.
    Beim zweiten Gang kam der Schwarze Ritter von links und der Weiße von rechts. Wieder donnerten die Hufe, und es sah aus, als ritten sie diesmal noch schneller aufeinander zu. Kurz bevor sie zusammenkrachten, hielt ich es nicht mehr aus.Ich machte die Augen zu. Dann tat es einen Mörderschlag, die Zuschauer johlten – und als ich die Augen wieder aufmachte, saßen beide noch im Sattel. Es war irre. Als der Jubel leiser wurde, weil schon wieder die Pferde tänzelten, fragte ich Kuno:
    »Wie lange kann das denn gehen?«
    »Bis einer gewonnen hat«, sagte Kuno.
    Dann donnerten sie wieder los. Es war also anders als beim Fußball, wo es nach der Verlängerung, wenn noch nichts entschieden ist, Elfmeterschießen gibt. Aber logisch, wie hätte ein Elfmeterschießen mit Lanzen aussehen sollen?
    Vielleicht war ich diesmal ein bisschen
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